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Kabinett unter Wasser: Die Regierung der Malediven rief in einer Resolution zur radikalen Verringerung von CO2-Emissionen auf.

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Wien/Male - Die Kabinettssitzung vom 17. Oktober war eine Meisterleistung in Öffentlichkeitsarbeit, da sind sich selbst die Kleinredner des Klimawandels einig. Mohamed Nasheed hatte elf seiner Minister um sich versammelt und ließ eine vorbereitete Entschließung auf Plastikkarten verlesen, einige Meter tief in der Lagune von Girifushi, einem der bei Touristen beliebtesten Stellen für Tauchexkursionen auf den Malediven.

"Der Präsident benutzte einen Shaker, um die Sitzung zu eröffnen, und kommunizierte in der Padi-Sprache (international genutzte Zeichensprache unter Wasser, Anm.)", erzählt Abdullah Saeed, der Kabinettssekretär, später. "Ich habe den Text der Erklärung verlesen. Sobald die Minister Zustimmung signalisierten, unterzeichnete der Präsident die Resolution, und sie wurde weitergereicht, damit das Kabinett sie offiziell billigt."

Die erste Kabinettssitzung der Welt, die unter Wasser stattfand, war ein solcher Mediencoup, dass sie schnell Nachahmer gefunden hat. Am Freitag, drei Tage vor dem Beginn der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, tagte etwa die nepalesische Regierung am Mount Everest - nicht auf dem Gipfel, aber immerhin auf seinen Hängen in 5262 Meter Höhe.

Indien, bisher einer der größten Bremser beim Kampf gegen den Klimawandel, ist dagegen eher genervt vom Aktivismus des maledivischen Präsidenten Nasheed. Umweltpolitiker im indischen Bundesstaat Westbengal verstehen die Welt nicht mehr: Die Malediven mit ihren knapp 300.000 Einwohnern bekommen nun mehr internationale Aufmerksamkeit als die Sunderbans, der riesige Mangrovenwald im Flussdelta von Westbengal, wo der Ganges, Brahmaputra und Meghna in den Indischen Ozean münden. Auch die Sunderbans werden am Ende dieses Jahrhunderts untergehen, schätzen Klimaforscher. 4,5 Millionen Menschen leben dort.

"SOS von der Frontlinie", lautete der Titel der Resolution, die Nasheeds Minister in der Lagune unterschrieben. Drin steht das Credo des Präsidenten, der in Kopenhagen als neue Ikone der Klimapolitik auftreten wird, ein zweiter Al Gore mit weniger Hollywood, aber der Wut der Dritten Welt: "Der Klimawandel findet statt, und er bedroht die Rechte und die Sicherheit eines jeden auf der Erde." Auch die magische Zahl der Klimaschützer steht im Text - "350 ppm", die Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen auf 350 "parts per million", um den globalen Anstieg der Temperatur aufzuhalten. Das ist auch die Zahl, mit der Nasheed nach Kopenhagen geht.

Mit seiner Rhetorik überrollt der Ex-Dissident, der erst seit einem Jahr im Amt ist und eine 30 Jahre dauernde Diktatur ablöste, Diplomaten und Minister. "Wir wissen, dass Sie nicht wirklich zuhören", sagte er im September zu den Delegierten einer Vorkonferenz der Uno in New York zum Klimawandel. Auf dieser Konferenz fiel auch Nasheeds Wort vom "akzeptierten Völkermord". Genau darauf laufe die abwartende Haltung der internationalen Gemeinschaft beim Klimawandel hinaus.

Massenumsiedlung geplant

In Male, der Hauptstadt des 1190-Insel-Atolls, wird schon für das nächste Jahrhundert geplant. Aus einem nationalen Fonds will die Regierung Land in Indien und Sri Lanka kaufen, um die Bevölkerung umzusiedeln. Tatsächlich ist das Geld dafür aber nicht da, und das Projekt "Massenumsiedlung" scheint auch den prospektiven Landverkäufern in Indien einigermaßen utopisch.

"Ich habe eine sieben Jahre alte Tochter", sagte Nasheed unlängst in einer Diskussionssendung im australischen Radio. "Sie wird nicht überleben, wenn die Temperatur auf über 1,5 Grad ansteigt. Ebenso wenig die Menschen in meinem Land. Sie können das formulieren, wie Sie wollen." (Markus Bernath/ DER STANDARD, 5./6. 12. 2009)