Claudia Schmied geht es nochmal an: Sie will den Lehrern ein neues Dienstrecht verpassen.

Foto: Cremer

Standard: Bundeskanzler Faymann hat eingestanden, dass er es für seinen größten politischen Fehler hält, dass er Sie bei der Auseinandersetzung mit der Lehrergewerkschaft im Regen stehen hat lassen. Haben Sie jetzt mehr Rückendeckung in der Regierung, auch beim Koalitionspartner?

Schmied: Aus der Situation, als ich in eine "Abseitsfalle" der ÖVP geraten bin, habe ich meine Schlüsse gezogen. Das wird mir nicht mehr passieren.Wenn ich die Rede des Kanzlers Revue passieren lasse, fühle ich mich inhaltlich, aber auch emotional und persönlich gestärkt. Was den Koalitionspartner betrifft, gilt der Grundsatz "Lasst Worten Taten folgen" . Es gibt Signale in Richtung ganztägige Schulformen. Aber ich bin vorsichtig geworden. Bei den ganz großen Themen wie dem neuen Dienstrecht geht es nur gemeinsam.

Standard: Stehen die zwei Mehrstunden Unterricht für die Lehrer noch auf der Agenda?

Schmied: Die zwei Stunden nicht. Aber wir haben in der Regierung ein neues Dienstrecht für alle neu eintretenden Lehrer vereinbart. Das werden wir im nächsten Jahr gemeinsam angehen. Mit dem Bundeskanzleramt, mit dem Finanzministerium. Es wird ein komplett neues Lehrerbild geben. Sie werden mehr Zeit bei den Kindern verbringen. Wir brauchen attraktivere Einstiegsgehälter. Und wir brauchen ganz klar mehr Verantwortung am Schulstandort, was das Setzen von pädagogischen Maßnahmen betrifft. Teamteaching, Förderunterricht, Tagesbetreuung.

Standard: Faymann hat 200.000 Ganztagesplätze an den Schulen gefordert. Was schwebt Ihnen vor?

Schmied: Ganztägige Schulformen sind eine Form des Angebots, eine Mischung aus Lernen, Freizeit, Sport. Ich gehe davon aus, dass es einen hohen Bedarf nach einer Nachmittagsbetreuung gibt, da sind die 200.000 Plätze möglicherweise sogar noch zu wenig.

Standard: Ist die Nachmittagsbetreuung nur ein Schritt hin zu einer Ganztagesschule?

Schmied: Wir müssen beides anbieten. Eine qualitatitiv hochwertige Nachmittagsbetreuung und, wenn die Eltern das wollen, eine ganztägige Schulform, wo Unterrichtszeiten über den Tag verteilt sind.

Standard: Sie haben in den vergangenen Wochen immer wieder die ÖVP-regierten Bundesländer aufgefordert, sich an den Finanzminister zu wenden, um eine Erhöhung der Kapazitäten für die Neue Mittelschule durchzusetzen. Jetzt wird es sogar einen SPÖ-Initiativantrag dazu geben. Haben Sie selbst mit Pröll keine Gesprächsbasis?

Schmied: Er ist im Ablehnungsmodus. Es gibt eine starke Nachfrage nach der Neuen Mittelschule. Weitere 4000 Kinder wären angemeldet, aber ich kann diese Standorte nicht genehmigen. Ich muss mich an die Zehn-Prozent-Grenze halten. Ich kann nur appellieren, den Druck auf die ÖVP zu verstärken. Ein Initiativantrag wäre ein idealer Weg, weil eine gesetzliche Neuregelung rasch umgesetzt werden könnte.

Standard: Da wären Sie selbst doch am meisten überrascht, wenn die ÖVP dem plötzlich zustimmen würde.

Schmied: Es sind ja nicht unbedeutende Bundesländer, die das wollen: Oberösterreich und Tirol, das sind Kernländer der ÖVP.

Standard: Warum sollte Pröll seine Meinung ändern?

Schmied: Wenn der Druck intern groß genug ist, warum nicht?

Standard: Die OECD empfiehlt Österreich eine Reihe von Maßnahmen, Gesamt- und Ganztagsschule, alles nach Ihrem Geschmack. Aber wie schaut es mit der Förderung von Migrantenkindern aus? Da passiert offenbar viel zu wenig.

Schmied: Bei der Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund haben wir noch eine große Aufgabe zu bewältigen, das ist klar. Wesentlich ist der Ausbau des Kindergartens zu einem Bildungsgarten, die Sprachförderung, der verpflichtende Kindergarten ab fünf. Ganz entscheidend wird sein, Menschen mit Migrationshintergrund für das Lehramtsstudium zu gewinnen. Erfreulicherweise hat sich die Zahl der Studienanfänger an den Pädagogischen Hochschulen verdoppelt. Aber es sind noch viel zu wenige Leute mit Migrationshintergrund darunter. Wir haben prinzipiell das Problem, dass wir im Oberstufenbereich wenig junge Menschen mit Migrationshintergrund haben. Das ist der große Vorwurf, den wir dem österreichischen Bildungssystem machen müssen: Bildung wird nach wie vor vererbt. Das trifft Migranten besonders. Wenn man sprachliche Probleme hat und sozial aus armen Schichten kommt, hat man kaum eine Chance, zu einer höheren Bildung zu kommen.

Standard: Haben Sie noch Verständnis für den Protest an den Unis und die Besetzung des Audimax?

Schmied: Von der ÖH und den Vertretern des Audimax sind sehr konstruktive Vorschläge gekommen. Ich habe von Minister Hahn gehört, dass diese Punkte in den Arbeitsgruppen berücksichtigt werden. Jetzt ist die Zeit gekommen, konstruktiv an die Arbeit zu gehen. Man muss aber schon anerkennend sagen, dass es gelungen ist, auf die Missstände aufmerksam zu machen. Jetzt passiert etwas. Bei aller Wertschätzung des Ministers: Da war Hahn schon recht langsam unterwegs.

Standard: Die ÖVP hat gefordert, das Audimax polizeilich räumen zu lassen. Wie sehen Sie das?

Schmied: Das ist ein Unsinn.

Standard: Die SPÖ fordert Zugangsregeln an den Unis, bei der ÖVP heißt das Zugangsbeschränkung. Letztendlich führt jede Regelung auch zu einer Beschränkung. Warum tut sich die SPÖ so schwer, das Kind beim Namen zu nennen?

Schmied: Es macht einen Unterschied, wie man an das Thema herangeht. Wir haben zu wenig Absolventen. Wir brauchen mehr Menschen, die bestens ausgebildet sind. Wir vertreten eine offensive Uni-Politik, keine Politik des Mangels und der Beschränkung.

Standard: Die ÖVP hält dem entgegen, dass mehr Studenten nicht zwangsläufig mehr Absolventen bedeuten.

Schmied: Das ist richtig, daher sage ich, wir brauchen eine offensive Universitätspolitik. Natürlich muss es zu einer Ausweitung der Mittel kommen, es muss aber auch die Qualität der Systeme besser werden. Eine Studieneingangsphase ist notwendig, in der man sich selbstverständlich auch Eignung und Neigung anschaut.

Standard: Sie fordern Aufnahmsprüfungen an den Pädagogischen Hochschulen und wollen dort nur die besten Kandidaten. Warum sollte das an anderen Hochschulen anders sein?

Schmied: Das sollten wir überall dort machen, wo es sehr stark in bestimmte Berufe geht, etwa in der Medizin, bei den Lehrerinnen und Lehrern, wo es um die Sozialkompetenz geht.

Standard: Und Publizistik darf jeder studieren?

Schmied: Das ist nicht so eng mit einer Berufsausbildung verbunden. Aber ich sage ja prinzipiell, dass wir eine Eingangsphase und ein Studienplatzfinanzierungsmodell brauchen. Was sich an der Wirtschafts-Uni abspielt, das kann es ja nicht sein. Dort sagt man, dass es einen freien Zugang gibt, "kommt nur alle" , und dann gibt es in den ersten Semestern Knock-out-Prüfungen, damit man genau die Zahl der Studierenden hat, die man haben möchte. Zuerst ist Klarheit über die Kosten der einzelne Studienplätze und -richtungen zu schaffen, dann müssen wir ein Studienplatzfinanzierungsmodell entwickeln. Nach einer Studieneingangsphase, in der man feststellt, wer leistungsfähig und -willig ist, muss es für die, die die Eingangsphase absolviert haben, einen Studienplatz geben. Aber wir können die Zahl der Studienplätze nicht den Rektoren überlassen.

Standard: Das läuft doch auf die von der ÖVP geforderte Zugangsbeschränkung hinaus.

Schmied: Bei der ÖVP höre ich ständig nur, dass man die Plätze beschränken muss. Wir brauchen aber mehr Mittel und mehr Plätze. (Michael Völker/DER STANDARD-Printausgabe, 5./6. Dezember 2009)