Standard: Sie haben bis 2007 in den USA geforscht und sind seitdem Professorin für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin. Sind Sie auch wegen der besseren Umweltpolitik Europas umgezogen?
Schreurs: Die EU hat seit Mitte der 1980er-Jahre weltweit sicher eine gewisse umweltpolitische Vorreiterrolle eingenommen. Ich denke, dass die EU nun jedoch vor einer Bewährungsprobe steht, da es neue Konkurrenz gibt: Japan etwa hat ambitioniertere Ziele in Sachen CO2-Reduktion als die EU. China hat das Ziel formuliert, 20 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Das ist dasselbe Ziel wie in der EU. Und schließlich tut sich auch in den USA im Vorfeld von Kopenhagen einiges. Der Vorsprung, den die EU einmal hatte, ist längst geschmolzen.
Standard: Apropos: Was erwarten Sie von Kopenhagen?
Schreurs: Ich denke, dass in den letzten Wochen doch einiges in Bewegung geraten ist im Hinblick auf mittelfristige Emissionsziele. Ich kann mir vorstellen, dass man sich darauf einigen könnte, den Treibhausgasausstoß bis 2050 um 50 Prozent zu reduzieren, nicht aber auf konkrete Zahlen. Es könnte aber auch so laufen wie 2001 in Marrakesch, wo man abbrach und nach einem halben Jahr weitermachte. Realistischerweise wird die Umweltbewegung frustriert sein, auch wenn es zu Fortschritten kommt.
Standard: Sie waren auch schon 1997 in Kioto dabei. Wie wurde die Konferenz damals zum Erfolg?
Schreurs: Einen Monat vorher sah es ganz schlecht aus. Am ersten Tag der Konferenz bestand auch noch wenig Hoffnung, und das sollte sich bis zum fünften Tag kaum ändern. Nach zehn Tagen sollte eigentlich Schluss sein, aber dann verlängerte man um drei Tage. Alle Teilnehmer waren schon erschöpft. Und plötzlich ging wirklich etwas weiter.
Standard: Wie soll man es in den nächsten Jahren umweltpolitisch schaffen, die Ziele bei der CO2-Reduktion - wie hoch sie auch immer sein mögen - kurzfristig zu erreichen? Könnte da die Kernenergie eine Zwischenlösung sein?
Schreurs: Nein, Kernenergie wird uns nicht dorthin bringen. Man braucht sich nur anschauen, wie lange es dauert, um ein Kernkraftwerk zu bauen: In China, wo man am schnellsten ist, braucht man dafür acht bis zehn Jahre. In Europa dauert es zehn bis 15 Jahre. In derselben Zeit kann man mit anderen Technologien viel mehr erreichen. Vor allem ist das Problem mit dem radioaktiven Müll immer noch ungelöst. Ich denke also nicht, dass Kernenergie in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, auch wenn ein Land wie Frankreich daran massives Interesse hat. Wir werden in Europa ziemlich sicher nicht mehr viele neue Kernkraftwerke sehen.
Standard: An welche anderen Technologie denken Sie?
Schreurs: Da gibt es einige Möglichkeiten. Kürzlich erst haben wir im deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen ein Gutachten über unterirdische CO2-Speicherung, etwa in aufgelassenen Erdgasfeldern, verfasst. Das ist noch alles etwas unsicher. Bei der Energieerzeugung muss sicher alles in Richtung erneuerbare Energietechnologie gehen: also Windkraftwerke, Sonnenkollektoren oder auch Biomasse, was für Österreich sehr interessant ist.
Standard: Wie schätzen Sie die österreichische Zwischenbilanz in Sachen Umweltpolitik ein?
Schreurs: Gemischt. Anfang der 1990er-Jahre gehörte Österreich zweifellos zu den internationalen Vorreitern mit besonders ambitionierten Zielen bei der Emissionsreduktion. In den letzten Jahren hat Österreich aber eindeutig an Boden verloren und auch seine Reduktionsziele deutliche verfehlt. Zugleich steht das Land in Sachen erneuerbarer Energie dank der Wasserkraft immer noch sehr gut da. Österreich hat auch einiges an Know-how anzubieten, etwa bei den Niedrigenergiehäusern.
Standard: Sie engagieren sich über Ihre Lehr- und Forschungstätigkeit in weiteren Vermittlungsprojekten zum Thema Klimawandel. Worum geht es da?
Schreurs: Wir haben zum Beispiel ein von der Fulbright-Stiftung unterstütztes Projekt, bei dem wir Studenten mit lokalen Firmen zusammenbringen, die so die neu entstehenden Märkte gerade auch im Umweltbereich besser bedienen können. Die meisten innovativen Ideen kommen von Leuten zwischen 20 und 30, und das sind im Normalfall Studenten und junge Absolventen, denen wir helfen sollten, ihre Ideen umzusetzen.
Standard: Sie engagieren sich aber auch im Schulbereich.
Schreurs: Richtig. Kürzlich hatten wir zum Beispiel 1200 Zehn- bis Zwölfjährige an der FU Berlin, um sie über den Klimawandel zu informieren und darüber, was sie dagegen tun können.
Standard: Und wie haben Sie das angestellt?
Schreurs: Wir hatten zum Beispiel einen Gast, der mit einem Solartaxi rund um die Welt gefahren ist. Und der hat einfach darüber erzählt. Das Schwierige war, für dieses Schülerprojekt Geld aufzustellen. Das war in den USA sehr viel leichter. (Klaus Taschwer, DER STANDARD/Printausgabe, 5.12.2009)