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Nach dem Votum ist eine heiße Debatte um die Sichtbarkeit von  Religionen entbrannt. Hier zu sehen: die Moschee und die katholische Kirche von Telfs in Tirol.

Foto: Reuters/Ebenbichler

Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte fordert Regelungen für den Bau neuer Moscheen.

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Bern/Wien - In Frankreich sorgt nach dem Votum zum Minarettverbot in der Schweiz eine repräsentative Umfrage für Aufsehen: 42 Prozent der Franzosen lehnen den Bau neuer Moscheen, 46 Prozent jenen von Minaretten ab. Gleichzeitig sei die Akzeptanz neuer Moscheen mit 19 Prozent extrem niedrig. "2009 hat sich die öffentliche Meinung zum Thema Islam in Frankreich radikalisiert und ist gegen dessen Sichtbarkeit" , sagte ein Meinungsforscher des ifop-Instituts der Zeitung Le Figaro.

Die FPÖ scheint in Österreich eine ähnliche Stimmung zu vermuten. Die FPÖ Niederösterreich verkündete, sich für Gesetzesänderungen hinsichtlich eines besseren Ortsbildschutzes einzusetzen.

Wegen genau solcher Bestrebungen stuft das Ludwig-BoltzmannInstitut für Menschenrechte die Schweizer Initiative nicht als Einzelphänomen ein. "In letzter Zeit mehren sich die Initiativen, die - auf eher indirektem Wege - darauf abzielen, die Errichtung von Moscheen und Minaretten zu verbieten oder zumindest zu erschweren" , hieß es Donnerstag in einer Aussendung. Weiters wurde festgehalten, dass auch die Sichtbarmachung des Glaubens durch religiöse Symbole unter das Recht auf Religionsfreiheit fällt. Es müssten Regelungen her, die alle Beteiligten stärker in Moscheebauvorhaben miteinbezögen. Bei einer Pressekonferenz christlicher Organisationen in Wien fielen emotionale Worte: In der aktuellen Debatte gehe es um Bauwerke, anderswo um Menschenleben. "Unsere verfolgten Mitchristen werden vergessen" , sagte Herbert Rechberger von Kirche in Not.

Die deutsche Frauenrechtlerin Alice Schwarzer beklagt, dass die etablierten Parteien "das berechtigte Unbehagen der Menschen über die fortschreitende Islamisierung ignorierten" . Für sie sei ein Burka-verbot "selbstverständlich" .

Unterdessen hat der Hamburger Filmregisseur Fatih Akin aus Protest gegen das Minarettverbot die Teilnahme an der Premiere seines neuen Films in der Schweiz abgesagt. Und Libyen schloss sich den ersten Aufrufen aus der Türkei und Syrien, Schweizer Banken und Waren zu boykottieren, am Donnerstag an. Außerdem forderte es die UNO auf, ihren europäischen Hauptsitz von der Schweiz in ein anderes Land zu verlegen.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) verlangt unterdessen eine außerordentliche Session des Parlaments zum Thema Asyl-, Ausländer- und Migrationspolitik. Eine etwaige Aufhebung des am Sonntag beschlossenen Minarettverbots will sie mit einer weiteren Volksabstimmung bekämpfen. SVP-Vizevorsitzender Christoph Blocher meinte im Schweizer Radio, seine Partei könne bei den nächsten Wahlen ihren Wähleranteil von 25 auf 40 Prozent steigern.

Im Zürcher Tages-Anzeiger zog der grüne Abgeordnete Jo Lang einen historischen Vergleich zwischen dem aktuellen Votum und der allerersten Volksabstimmung in der Schweiz: "1893 stimmten 60 Prozent des Männervolks für ein Schächtverbot. Vordergründig ging es dabei um den Tierschutz, in Wirklichkeit ging es um Antisemitismus" , so Lang. Damals habe man das Schächten verboten - und die Juden gemeint; heute verbiete man Minarette und meine die Muslime. (dpa, kbo, spri/DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2009)