Achtzehn Stunden täglich putzen, kochen und Kinder hüten: So sieht laut Berichten der Alltag moderner Hausskla-vinnen aus

Foto: STANDARD/Matthias Cremer

Über Hausangestellte, die wie Sklavinnen gehalten werden, wurde in der Wiener Uno-City diskutiert. Weltweit mehren sich Fälle derartiger Ausbeutung - auch durch Diplomaten - Von Irene Brickner


Wien - "Meist neigen wir dazu, jenen Menschen zu glauben, die in einer mächtigen Position sind", sagt Evelyn Probst vom Wiener Verein Lefö, der sich für Opfer von Frauenhandel einsetzt. Beim Versuch, ausländischen Hausangestellten zu helfen, die etwa in Diplomatenfamilien bis auf die Knochen ausgenützt werden, stelle sich diese Tendenz oft als Hinderungsgrund heraus.

Ausbeutung hinter verschlossenen Türen

"Die Ausbeutung findet hinter verschlossenen Türen statt. In einem Pariser Fall flog die Sache nur auf, weil eine Französin im Supermarkt merkte, dass es einer jungen Afrikanerin schlecht ging", schilderte Elisabeth Tichy-Fisslberger, Leiterin der innerministeriellen Task-Force gegen Menschenhandel in Österreich, bei einer Veranstaltung in der Wiener Uno-City.

12,3 Millionen Menschen machen Sklavenarbeit

Eingeladen hatte die bei der Uno angesiedelte Global Initiative to Fight Human Traficing (UN.GIFT). Das Thema wird bei den Vereinten Nationen zunehmend ernstgenommen - auch auf selbstkritische Art: Eine Fotoschau zum Thema wird nach Wien auch an den UN-Sitzen in Genf und New York zu sehen sein. Weltweit, so schätzt die International Labour Organisation (Ilo), vegetieren 12,3 Millionen Menschen in Zwangsarbeit, 2,4 Millionen Personen wurden Opfer von Menschenhandel, 80 Prozent davon Frauen und Mädchen als Prostituierte und Hausangestellte.

Von sechs Uhr früh bis Mitternacht putzen, kochen, Kinder hüten

Besagte junge Afrikanerin in Paris - sie stammte wie ihr Brötchengeber aus dem westafrikanischen Land Elfenbeinküste - hatte täglich von sechs Uhr früh bis Mitternacht putzen, kochen und Kinder hüten müssen. Ihr Entgeld, das weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn lag, hatte ihr Chef großteils einbehalten, ebenso ihren Pass: "Aus Sicherheitsgründen", wie er meinte. "Sie hat durchgehalten, weil sie weiter Geld nach Hause schicken wollte. Sie wollte Frankreich nicht verlassen." Chance auf eigenständigen legalen Aufenthalt hatte sie wegen des auch in Frankreich strengen Fremdenrechts nicht.

"Moderne Sklaverei" auch in Österreich

Beispiele solch "moderner Sklaverei" gebe es auch in Österreich - und auch im Botschafts- und Gesandtschaftsmilieu, sagte Tichy-Fisslberger. "In Einzelfällen konnte derartige Ausbeutung bewiesen werden", ergänzte Melitta Schuber aus dem Außenministerium.

Mehr als reine Einzelfälle

Bei Lefö geht man von mehr als reinen Einzelfällen aus. Derzeit kümmere man sich um sechs vor Ausbeutung in Diplomatenhaushalten geflohene Hausangestellte. Die Frauen stammten aus Afrika und Asien, schilderte Probst.

Verdienst muss mindestens 1000 Euro brutto sein

Schubert setzt bei dem bisherigen Tabuthema auf Aufklärung und Früherkennung. Etwa mittels eines Rundschreibens, das im Oktober 2009 aus dem Ministerium an alle diplomatischen Vertretungen und internationalen Organisationen in Österreich ging. Darin wird klargestellt, dass Hausangestellte mindestens 1000 Euro brutto monatlich verdienen müssen - "auch wenn ihnen schon 300 Euro viel erscheinen, weil der Durchschnittslohn in ihrem Heimatstaat bei einem Zehntel davon liegt" - und dass sie laut Hausangestelltengesetz maximal 238 Stunden monatlich arbeiten und wöchentlich einen Tag frei bekommen müssen.

Diplomatische Immunität

"Wir bestehen darauf, dass die Haushaltshilfe unbegleitet erscheint, um ihre Legitimationskarte abzuholen. So kann man ungestört mit ihr reden", erläuterte Schubert. Bei Schieflagenverdacht trete man mit dem Arbeitgeber in Verhandlung, der als Diplomat oft Immunität genießt.

Immunität kann aberkannt werden

Die Immunität kann Diplomaten laut internationalem Recht aberkannt werden, wenn diese gegen die Antifolterkonvention verstoßen haben: einen Weg, den man in Frankreich derzeit in einigen Fällen vor Gericht zu beschreiten versucht. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 3.12.2009)