Wien - Wie weit darf ein Mafiajäger gehen, um einen Informanten zu schützen? Für Josef B. (53), Chef einer mittlerweile aufgelösten Spezialeinheit, endete diese Gratwanderung im Abgrund. Sein Versuch, einen unter Mordverdacht stehenden Spitzel im FBI-Zeugenschutzprogramm verschwinden zu lassen, war Missbrauch der Amtsgewalt. Dafür wurde Josef B. am Dienstag im Wiener Landesgericht zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Abzüglich der bereits verbüßten U-Haft bleiben elf Monate, die er ins Gefängnis muss.

B. zeigte sich bis zum Schluss des Verfahrens überzeugt davon, dass er nur seine Pflicht erfüllt habe. Es sei zu befürchten gewesen, dass dunkle Kreise aus Polen dem langjährigen V-Mann nach dem Leben getrachtet hätten. Außerdem seien Vorgesetzte immer informiert gewesen.

Ein Pate als Spitzel

Der Spitzel war, wie berichtet, nicht irgendein Spitzel, sondern der mutmaßliche Schmugglerpate Jeremiasz Baranski, dem mehrere Mordaufträge und ein Säureattentat auf eine polnische Staatsanwältin angelastet werden. Baranskis eigener Prozess am Wiener Landesgericht soll kommende Woche abgeschlossen werden.

Haftaufschub

Zwei geständige Mitangeklagte von Josef B. wurden bereits vergangenen September verurteilt, sie kamen mit vergleichsweise glimpflichen Strafen davon: Thomas S. fasste eineinhalb Jahre Haft aus. Weil er den unbedingten Teil von fünf Monaten bereits in U-Haft abgesessen hatte, verließ er den Gerichtssaal als freier Mann.

Die Strafe für den Exagenten Johann H. (45) fiel mit zweieinhalb Jahren Gefängnis (zehn Monate unbedingt) höher aus, weil er zusätzlich einmal eine nicht genehmigte Telefonrufdatenerfassung (in der eigenen Dienststelle) durchgeführt, und einmal für ein Leumundszeugnis Geld kassiert hatte. Die Justiz gewährte dem ehemaligen Chefinspektor Haftaufschub bis kommenden Herbst, weil er gerade dabei ist, ein neues Leben als Imbissstandbesitzer aufzubauen.

Vertrauen missbraucht

Das harte Urteil gegen Josef B. rechtfertigte die vorsitzende Richterin Eva-Maria Seidl mit generalpräventiven Gründen: "Sie haben das Vertrauen der Bevölkerung wiederholt missbraucht." Der suspendierte Exagent, der zuletzt erfolglos auf Zurechnungsunfähigkeit plädiert hatte, sagte nur: "Ich verstehe." Sein Verteidiger, der frühere Staatsanwalt Wolfgang Mekis, gab keine Erklärung ab, die Vertreterin der Anklagebehörde meldete Strafberufung an. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. (simo/DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2003)