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Superbillige Fantasien, montiert zu einem hochkomplexen Kunstwerk. Brian De Palmas jüngster Thriller "Femme Fatale" mutet dem Publikum einiges zu. Wunderbar!


Wien - Viele Wege führen zu Alfred Hitchcock, durch dessen Werk hindurch und dann nicht selten in völlig überraschende Richtungen - was wiederum in der Natur eines Kinos im Geiste des großen Master of Suspense liegt.

Nirgendwo sah man dies in den letzten Jahren deutlicher, als in Brian De Palmas jüngstem Thriller Femme Fatale, der angeblich in einer Art von Exil entstanden ist: Oft wird erzählt, dass der US-Regisseur (Dressed to Kill, Carrie) sich nach dem Flop seines letzten (übrigens höchst achtbaren) SciFi-Films Mission to Mars nach Frankreich zurückgezogen hätte. Doch das ist, wie vieles rund um De Palma, nur die halbe Wahrheit.

Stimmiger wäre es, festzuhalten, dass er zwar sehr wohl (wieder einmal, nach Raising Cain oder Snake Eyes) eine niedriger budgetierte Arbeit, diesmal weitgehend mit "ausländischen" Ressourcen, vorlegt. Gleichzeitig dockt De Palma, ewiges Liebkind (zu Recht!) der Cahiers du Cinéema, aber sehr bewusst beim europäischen Autorenkino an. Man kann Hitchcock ja auch mit Jacques Rivette oder Raoul Ruiz weiterdenken. Tatsächlich war es nie zuvor so deutlich, wie sehr Palmas Aufsplitterungen verschwörerischer Blicke von der Kulturgeschichte und vom alten Europa infiziert sind.

Nein, eine "Handlung" im eigentlichen Sinne sei hier nicht preisgegeben. Man könnte sogar darüber streiten, ob es sie in dem "Traum" überhaupt gibt, den Femme Fatale über kunstvolle Streckungen von Zeit und über eine Montage, die jede Logik unterläuft, kreiert. Nur so viel: Gleich zu Beginn schwingt sich die Kamera hinauf zum Palais der Filmfestspiele von Cannes, um dann provokativ auf eine Teilnahme am "Weltkino" zu verzichten und bei einer Sex-und Diebstahlsszene auf der Damentoilette zu verweilen.

Es folgen: eEin Betrug, der in Gewalt eskaliert. Ein Opfer männlicher Fantasien (Rebecca Romjin-Stavros), das immer offenkundiger sein eigenes Spiel spielt. Ein Voyeur (Antonio Banderas), der zunehmend selbst manipuliert wird. Daneben: Kinder, die einem roten Ball hinterhereilen. Oder: Stadtansichten von Paris, die irgendwann einmal eine Fotocollage im Gefolge von David Hockney ergeben. Dazu: Musik von Ryuichi Sakamoto, ein einziger orchestrierter quälender Genuss, gleichzeitig aber ziemlich schamlos in den Anleihen bei Ravels Bolero.

Genug verwirrt? Dann geht es Ihnen jetzt so wie derzeit all jenen Multiplex-Besuchern, die man im Fall von Femme Fatale gegenwärtig mit einem "Erotikthriller" ködert. Ja, sicher, De Palma geizt nicht mit ultrabilligen Fantasien (man denke nur an Bo Derek zum Bolero!), aber auch das sind Fallen: Es ist, als würde er die abgedroschensten Déjà-vus der letzten Jahre zu einem ultrakomplexen Text zusammendenken. Eine Idee und eine Strategie, die Hitchcock sicher gefallen hätten.

Kurz: Ein Film zwischen allen Stühlen. Zu cheap fürs Programmkino; zu clever für den Mainstream. Dario Argento und John Carpenter hätten ihre Freude daran. Aber die sind heute auch nur noch Aussenseiterprogramm. Schade. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2003)