Die Budgetnöte der Bundesregierung müssen ziemlich groß sein. Viel größer, als der von Blau auf farblose Unabhängigkeit erblasste Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor der Wahl im Herbst zugegeben hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass so gut wie alle - von der Regierung zwecks optimaler Selbstdarstellung selbst aufgestellten - Dogmen des Kabinetts Schüssel I über Bord geworfen werden?

Schwuppdiwupp - weg war es, das Gefasel von der neuen Politik, die mit den Schulden der alten Verstaatlichtenpolitik endgültig aufräumen sollte. Kaum war das Nulldefizit ein einziges Mal erreicht und Austria Tabak, Postsparkasse und Dorotheum unter dem Hammer, schon greift der oberste Säckelwart ungeniert in die Kassen der Staatsholding ÖIAG und bedient sich. Zum Schuldenabbau, wie es originellerweise heißt.

Quasi zum Drüberstreuen wird auch gleich das Aktienrecht ein bisserl außer Kraft gesetzt und der bisher als unabhängig gepriesene ÖIAG-Aufsichtsrat zu einer Marionettentruppe degradiert. Schließlich hatte sich die Runde jüngst eher widerspenstig gezeigt, weshalb Grasser nicht sicher sein konnte, die geforderten 300 Millionen Euro tatsächlich zu bekommen. Also schlägt künftig nicht der Vorstand die Höhe der Dividende vor, sondern allein die aus Grasser bestehende Hauptversammlung.

Nicht überlegt hat sich der aus der Privatwirtschaft kommende Minister offenbar, welches Signal vom neuen Griff in die Kassen der Staatsbetriebe eigentlich ausgeht. Alle Welt weiß nun, dass das Familiensilber bis 2006 verscherbelt sein muss. Dabei würde kein vernünftiger Mensch beim aktuellen Börsenklima auch nur ein Häferl verkaufen wollen, weil der Erlös weit unter dem Wert liegen wird. Von der ÖIAG da auch noch eine Wertsteigerung zu fordern, grenzt an Frozzelei. (DER STANDARD, Printausgabe 2.4.2003)