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UN-Plakat zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Bei den amerikanischen Bischöfen ist die Botschaft angekommen.

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Kurt Remele: mutiger Widerspruch des US-Klerus. Er lehrt Ethik und christliche Gesellschaftslehre an der Universität Graz und ist Vizepräsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Österreich.

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Die Bischofskonferenz der katholischen Bischöfe Österreichs hat bei ihrer Herbstvollversammlung erklärt, dass die Ehe von Mann und Frau gefährdet sei, sollte der Gesetzgeber stabile Lebensformen auf homosexuelle Partnerschaften ausweiten. Damit werde ein Dammbruch vollzogen und eine Entwicklung eingeleitet, die "unabsehbare Folgen für die ganze Gesellschaft" habe.

Selektives Bedrohungsbild

Das Statement der Bischöfe blendet aus, dass die Liebe zwischen zwei Menschen vor jeder weiteren normativen Beurteilung zu allererst "geschätzt und respektiert werden sollte, egal ob es sich dabei um Liebe zwischen gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Personen handelt", wie es der englische Kardinal Basil Hume (1923-1999) gefordert hat.
Die österreichischen Bischöfe dagegen definieren das Ansinnen gleichgeschlechtlicher Menschen, ihrer Liebe, Zuneigung und Verantwortung füreinander eine verbindliche Lebensform zu geben, ausschließlich als gesellschaftliche Bedrohung und weisen es harsch zurück. 

Äußerst selten äußern sich katholische Bischöfe allerdings über jene reale alltägliche Bedrohung von Ehe und Partnerschaft, die von heterosexuellen Männern ausgeht - und die der Öffentlichkeit gestern im Rahmen eines von den Vereinten Nationen ausgerufenen internationalen Aktionstages ins Gedächtnis gerufen wurde: von jenen gewalttätigen Ehemännern und Partnern aus allen gesellschaftlichen Schichten nämlich, die ihre Frauen beschimpfen und demütigen, packen und stoßen, schütteln und einsperren, verprügeln und mit dem Kopf unter Wasser halten, vergewaltigen und umbringen.
Häusliche Gewalt an Frauen ist ein weit verbreitetes Phänomen. Nach seriösen Erhebungen und vertrauenswürdigen Schätzungen hat jede vierte bis fünfte Frau bereits Gewalt in einer Beziehung erlebt.
Katholische Frauen, die von ihren Ehemännern misshandelt wurden, erhielten vom Klerus traditionellerweise die Empfehlung, das zugefügte Leid fromm und geduldig zu ertragen. 

Der bisher mutigste und fachkundigste kirchenamtliche Widerspruch gegen diese pathologische Leidverherrlichungs- und Unterwerfungsrhetorik stammt von der katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika. In ihrem Dokument When I Call for Help: A Pastoral Response to Domestic Violence Against Women, das erstmals 1992 veröffentlicht und 2002 in überarbeiteter Form neu aufgelegt wurde, bedauern die US-Bischöfe, dass gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Ehegatten in der Vergangenheit oft als reine Familienangelegenheit betrachtet wurden. 

Die Bischöfe stellen klar, dass häusliche Gewalt an Frauen, sei sie physisch, psychisch, sexuell oder verbal, niemals gerechtfertigt sein kann: "Gewalt in jeder Form (...) ist sündhaft, oft ist sie auch ein Verbrechen."
Weiters heißt es in der Erklärung: "Von niemandem wird erwartet, Gewalt in einer Ehe zu erdulden. Manchmal glauben Frauen, die von ihren Männern missbraucht werden, dass die kirchliche Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe ihnen verbiete, sich von ihrem Mann zu trennen. (...) Doch es sind Gewalt und Missbrauch, nicht die Scheidung, die zum Zerbrechen einer Ehe führen."

Fragwürdige Gottesbilder

Den US-Bischöfen zufolge kann Religion eine große Hilfe für geschlagene Frauen sein, oft aber auch ein gewaltiges Hindernis, das zu Selbstvorwürfen bei den Opfern und zu Rationalisierungen bei den Tätern führt.
Die Bischöfe bekennen, dass bestimmte Bibelinterpretationen und traditionelle Gottesbilder dazu beigetragen haben, männliche Gewalt an Frauen zu rechtfertigen. Das bischöfliche Schreiben enthält auch zahlreiche praktische Empfehlungen, von der Aufforderung an Pfarrer, das Thema der häuslichen Gewalt in Predigten anzusprechen, bis zu konkreten Aktionsplänen (inklusive relevanter Telefonnummern) für missbrauchte Frauen.
When I Call for Help steht in einer Reihe mit anderen innovativen, gesellschafts- und regierungskritischen Dokumenten der US-amerikanischen Bischofskonferenz aus den 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts. 

Verdächtige Nonnen?

Als Kardinal Joseph Bernardin (1928-1996), der hochangesehene Erzbischof von Chicago, damals in einem Interview gefragt wurde, worauf er das starke soziale Engagement der US-Bischöfe zurückführe, bekannte er, dass dies zu einem guten Teil am positiven Einfluss der katholischen Ordensfrauen, der US-amerikanischen Nonnen, liege.
Seit Anfang 2009 findet eine von Rom angeordnete Untersuchung, eine sogenannte Apostolische Visitation, der etwa 60.000 US-amerikanischen Ordensfrauen statt. Der Präfekt der vatikanischen Ordenskongregation, der slowenische Kurienkardinal Franc Rode, erklärte Anfang November, eine solche Untersuchung sei notwendig geworden, weil sich in den etwa 400 Frauenorden und -gemeinschaften der Vereinigten Staaten eine „weltliche Mentalität" und ein "feministischer Geist" breitgemacht hätten. (Kurt Remele/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.11. 2009)