Dass dabei nicht viel mehr herauskommt als eine biografische Möbiusschleife, ist nicht ihr individueller Mangel an Vision, sondern der der Gattung.

Sigourney Weaver, einst Gender-Ikone aus "Alien", entdeckt als Xenobotanikerin Grace Augustine in James Camerons neuem Science-Fiction-Spektakel "Avatar" auch mütterliche Ideale wieder.

Foto: Centfox

Die Namen von Figuren in Filmen klingen häufig ein wenig geschwollen, und sie tragen gelegentlich eine Menge unvermuteter Ironie in sich.

Wir wissen nicht genau, was James Cameron sich gedacht hat, als er einer weiblichen Hauptfigur in seinem demnächst startenden Science-Fiction-Spektakel Avatar den Namen Grace Augustine gegeben hat - es steckt aber eine ganze Menge Theologie dahinter, und die hebt die Tatsache fast vollständig wieder auf, dass die von Sigourney Weaver gespielte Dame eine Spitzenkraft der Wissenschaft ist. In erster Linie ist Grace Augustine in Avatar eine Xenobotanikerin, sie soll sich also mit dem Gewächs auskennen, das auf dem Planeten Pandora die Sicht auf die eingeborene Navi-Population verstellt. Zudem kennt sie sich aber auch mit medizinischen Dingen aus, und sie hat das Avatar-Programm entwickelt, bei dem aus Menschen und Navi ein DNA-Mischling heraussynthetisiert wird, der dann als Stellvertreter der realen Menschen in die Wildnis geschickt wird.

Die Ironie des Namens Grace Augustine liegt darin, dass Cameron in einer Geschichte, die deutlich auf einen Paradies- und Sündenfallmythos hinauswill, eine Wissenschafterin einführt, die so deutlich auf den Gnadentheologen Augustinus referiert, der von guten Werken viel hielt, darauf aber nicht vertrauen wollte.

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn Cameron den Namen Augustine nicht auch deswegen ins Spiel gebracht hätte, weil es hier wieder einmal um eine Wissenschaftspraxis geht, die sich an Gottes Stelle gesetzt hat und den Sündenfall permanent erneuert. Dass diese Figur von Sigourney Weaver gespielt wird, ist in sich zusätzlich beziehungsreich dadurch, dass sie für alle Zeiten auch die Astroingenieurin Ellen Ripley sein wird, die Kämpferin gegen das Alien aus dem gleichnamigen Film von Ridley Scott.

Dort war sie stärker als noch der härteste Mann und wurde dadurch zu einer Gender-Ikone. Nun muss sie in Avatar den Ambivalenzen des wissenschaftlich geprägten menschlichen Weltzugriffs auch eine geschlechtliche Note geben, soll heißen: ein mütterliches Ideal wiederentdecken, das unter Laborbedingungen unauffindbar bleibt.

Komik und Konvention

Von Grace Augustine aus könnte man in die Filmgeschichte zwei größere Schneisen schlagen. Die eine führt in unernste Gefilde, wir stoßen dort auf Frauen mit uneindeutigen disziplinären Zuordnungen wie Dr. Ellie Sattler (Laura Dern), die in Jurassic Park (1993) als Paläobotanikerin eher unterbeschäftigt ist, oder die feministische Kulturwissenschaftlerin Dr. Margo Hunt (Shannon Tweed), die in dem Exploitationspäßchen Cannibal Women in the Avocado Jungle of Death (1989) nach den sagenumwobenen Piranha-Frauen sucht.

Die andere Schneise aber öffnet den Blick auf die lange Geschichte männlicher Dominanz und weiblicher Ausnahmestellung sowohl auf dem Gebiet der Wissenschaft als auch im Kino allgemein. Ein gutes Beispiel dafür bietet der Film Deep Blue Sea (1999), in dem ein Forscherteam nach einem Therapeutikum gegen Alzheimer sucht.

Die Meeresbiologin Dr. Susan McCallister widmet sich dieser Aufgabe mit solcher Hingabe (sie setzt auf Enzyme aus dem Gehirngewebe von Haien), dass sie ihren konventionellen Filmaufgaben (Anschmachten des männlichen Heldens, Schreikrämpfe in der Gefahr) nicht so richtig entsprach. Das Publikum war bei Testvorführungen so unzufrieden mit ihrer Rolle, dass das Studio ein neues Ende nachdrehen ließ, in dem Dr. Susan McCallister den Haien zum Opfer fällt.

Die Darstellung von Wissenschafterinnen in populären Filmen ist inzwischen selbst zu einem wissenschaftlichen Thema geworden. Dabei wird zum Beispiel untersucht, ob Frauen mit wissenschaftlichen Aufgaben eher als "professionell und realistisch" oder als "nerdig und unsozial" dargestellt werden, und die Soziologin Eva Flicker aus Wien hat einen Katalog von Typisierungen erarbeitet, unter den fast alle Frauen fallen, die in Spielfilmen mit Technik und Forschung befasst sind: Sie sind dann entweder eine "alte Jungfer", eine "Mannfrau", eine "naive Expertin", eine Frau mit einem bösen Plan, eine Tochter oder Freundin eines männlichen Wissenschafters oder eine einsame Heldin.

Da es in der Unterhaltungsindustrie ja immer nur in zweiter oder dritter Linie um die professionellen Eigenschaften von Figuren geht, wird selbst in einem Biopic wie Marie Curie (1943) die Entdeckung des Radiums einer Liebesgeschichte untergeordnet. Die polnische Forscherin Marie Sklodowska (Greer Garson) erscheint in dem Film vor allem als lebensfähigere Partnerin des genialen Schussels Pierre Curie (Walter Pidgeon), der sich dann auch noch von einem Auto überfahren lässt und sie somit allein mit Entdeckung und Weltruhm (und seinem Familiennamen) zurücklässt.

Wenn man schließlich nach einer Figur suchen würde, die sehr viele von den Stereotypen zusammenfassen würde, die in die Darstellung fiktionaler Wissenschafterinnen eingehen, würde man unweigerlich auf Eleanor Arroway aus Contact (1997) stoßen. Auch sie trägt einen etwas geschwollenen Namen, die Pfeilmetaphorik hat aber gute Gründe, denn die Radioastronomin Dr. Arroway (Jodie Foster) ist nicht nur ihrer Zeit deutlich voraus, sie ist gewissermaßen als ganze Person so eindeutig auf das Weltall ausgerichtet, dass sie die Grenzen ihres Faches, ja der Rationalität überschreiten und tatsächlich in Kontakt mit einer anderen Zivilisation treten kann. (Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe 25.11.2009)