Rauch aus vergangenen Tagen: Ratz (Helmut Köpping) und Mimi (Sabine Timoteo) in Michael Glawoggers mit dem Diagonale-Preis prämierten "Vaterspiel".

Foto: Filmladen

Wien – Ein "lost highway" in Niederösterreich, eine nächtliche Autofahrt bei dichtem Schneetreiben. Olga Neuwirth, erklärter Fan von David-Lynch-Filmen, hat dazu atmosphärische Musikgebilde komponiert, die nicht nur diese Fahrtbilder, von Scheinwerfern punktuell ausgeleuchteten Straßen- und Landschaftsaufnahmen ganz eigentümlich tönen.

Allerdings ist Michael Glawoggers Kinoversion von Josef Haslingers Roman Das Vaterspiel im Vergleich mit den Lynch'schen Filmrätseln, die zunehmend unergründlicher werden, um einiges klassischer konstruiert: Ein gewisser Rupert Kramer, genannt Ratz (Helmut Köpping), wird im Jahr 1999 von einer Exstudienkollegin überraschend aus Wien nach New York gebeten.

Mimi Kalikauskas (Sabine Timoteo), eine Weltenbürgerin mit litauischen Wurzeln, benötigt seine Dienste als verschwiegener Heimwerker. Ratz, Sohn eines abgedankten SPÖ-Ministers, abgebrochenes Publizistikstudium, will bei der Gelegenheit auch sein PC-Ballerspiel promoten, das den virtuellen Vatermord ermöglicht.

Das Vaterspiel wird auf unterschiedlichen Zeit- und Erzählebenen gespielt: Aus der Gegenwart, in welcher der Spielprogrammierer aus Wien aufbricht, springt die Geschichte immer wieder unvermittelt zurück in Ratz' eigene Vergangenheit – und in die eines weiteren Mannes: des litauischen Juden Jonas Shtrom (Ulrich Tukur), der Ungeheuerliches zu Protokoll zu geben hat. In einem Keller – den österreichischen Topos für alles Verdrängte kann man auch auf Long Island finden – kommen diese beiden Stränge schließlich zusammen. Aber der Knoten aus begangener Schuld und ausstehender Verurteilung bleibt unauflösbar, das Erfahrungsgefälle und die Distanz zwischen den Generationen unüberwindlich.

Wesentlich irritierender als die relative Ratlosigkeit des Finales, in dem einander unter anderem ein greiser NS-Kriegsverbrecher und ein milde angeekelter Computernerd gegenübersitzen, sind die unterschiedlichen Tonlagen der einzelnen Akteure: Köpping – und die übrigen Mitglieder seiner Filmfamilie – reden tendenziell so, wie es dem Österreicher umgangssprachlich über die Lippen kommt.

Tukur hingegen spricht seine Erinnerungen, als wären sie der Text eines Bühnenmonologs. Auch Timoteos Schilderungen vergangener Ereignisse im Imperfekt haben etwas Gestelztes. Das ist nicht konturiert genug, um als Kunstgriff durchzugehen.

Es produziert vor allem Unebenheiten, wenn zwei Sprechweisen im Dialog aufeinandertreffen. Die Verschachtelung der Erzählungen wirkt teilweise wie ein Ablenkungsmanöver: Was etwa im Verhältnis von Vater und Sohn Kramer die drastischen Fantasien des Jüngeren motiviert, bleibt unklar – so wie Ratz' über Jahre der Funkstille anhaltende Faszination für Mimi.

Dass der Wiener Familienroman mit Shtroms Erfahrungsbericht von der Verfolgung durch die und des Nazis nicht überzeugend zusammenginge, wurde schon als Kritik an Haslingers Roman formuliert. Vielleicht ist dort schon begründet, was den Film so unentschlossen wirken lässt. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 25. 11. 2009)