Foto: Nokia
Foto: Nokia

"Und kann auch telefonieren" , dieses kleine Scherzchen begleitet oft die Vorführung von Smartphones, bei denen Telefonieren nur noch eine von vielen Anwendungen für den Computer in der Tasche ist. Nokia setzte mit seinem N900 dies jetzt buchstäblich um: Das N900 entspringt nicht den Handygenen des finnischen Herstellers, sondern seinen früheren experimentellen Internet-Tablets.

619 Euro und Linux

Seit dieser Woche wird das N900 in Österreich (einer der drei ersten Märkte weltweit) um 619 Euro verkauft, und es ist Nokias größter Schritt weg vom Handy zur neuenKategorie multimedialer Computer. Äußerlich seinem jüngsten Tophandy N97 ähnlich, ein großer Bildschirm mit darunter liegender Schiebetastatur, ist es in Bedienung und Software deutlich anders; betrieben wird das N900 von der Linux-Variante Maemo 5.

Multitasking-fähig

Nokias neue Benutzeroberfläche für das N900 braucht Geduld, Experimentierfreude und Zeit zum Erlernen. Es gibt vier Startbildschirme, die jeweils durch Verschieben mit dem Finger gewechselt werden: Flächen, auf die man Widgets für oft benutzte Programme frei verteilen kann. Dazu gibt es zwei weitere Ebenen, die über ein Symbol links oben am Bildschirm zu erreichen sind: Das eine sind geöffnete Programme, beispielsweise Telefon, Mail, Ovi Store, Medienplayer, die Fotosammlung. Das andere ist - die sonst von Nokia-Handys gewohnte - konventionelle Ansammlung an Programmen, durch die traditionellen Symbole dargestellt. Damit signalisiert das N900, dass es von seinen Benutzern maximal nach eigenen Gewohnheiten personalisiert werden kann. Und dass es Multitasking-fähig ist, also mehrere Programme gleichzeitig ablaufen lassen kann.

Programme, Programme, ...

Multitasking scheidet derzeit die Philosophien der Handy-Entwickler: Nokia nennt stolz die Fähigkeit seines N900, bis zu zwölf Programme weiterlaufen lassen zu können (was zumindest in der Theorie einen schnellen Wechsel von einem zum anderen ermöglicht), auch Palm wirbt mit Multitasking als Unterschied zu Apples iPhone. Klammheimlich kann jedoch auch dieses mehrere Programme ablaufen lassen, etwa Musik zu spielen, während man Mail checkt oder online surft. Es bleibt die Frage, wie viele Programme man auf einem Handy tatsächlich gleichzeitig benutzt und wie flüssig der Wechsel von einer zu einer zu anderen Anwendung erfolgt.

Internetbrowser des N900 ist flashfähig

Dem Trend zur Zusammenführung unterschiedlicher Kommunikationskanäle folgend tut dies auch das N900. So werden Kontaktinformationen mit allen Arten von Kanälen verknüpft, über die eine Person erreichbar ist, nebst Telefonnummern und E-Mail auch Chat-Clients wie Skype; das ermöglicht wiederum, vor dem Anruf einer Person im Kontaktverzeichnis den "Status" zu sehen, also beispielsweise auch, wenn jemand anzeigt, nicht angerufen werden zu wollen. Konversationen mit Kontakten werden in "Gesprächen" zusammengefasst, unabhängig davon, über welchen Kanal sie geführt wurden. Der Internetbrowser des N900 ist flashfähig, was viele Webseiten auf dem Handy erschließt, die bisher nicht (vor allem nicht auf dem iPhone)zugänglich waren.

Üppige Ausstattung

Wie von Nokia gewohnt, ist die Hardwareausstattung üppig: Schneller Mobilfunk (HSPA+), Wifi, Bluetooth, UKW-Radio; eine 5-Megapixel-Kamera mit Zeiss-Optik und Blitzlicht. Eine irritierende Schwäche ist die Trägheit des berührungsempfindlichen Bildschirms: Selbst knapp zwei Jahre nach Einführung des ersten Touchscreens hat Nokia diese Technologie weiterhin nicht optimal im Griff und gibt darum auch sicherheitshalber einenStift zur Bedienung mit.

Nokia weiß, dass es mit dem N900 eine spezielle Zielgruppe anspricht: User mit einem Hang zu Technik, davon zeugt auch ein Linux-Terminal auf dem N900. Diese Affinität zu Computern macht das Gerät aber auch für Unternehmen interessant, die eigene Anwendungen für den mobilenTaschencomputer entwickeln wollen. (spu, DER STANDARD Printausgabe, 24. Oktober 2004)