Im Iran werden soeben die Anhänger der Opposition, die sich mit dem Ergebnis der Präsidentenwahlen im Juni nicht abfinden wollten, von den Gerichten hart abgestraft: Wer jedoch aus der offenen Spaltung der iranischen politischen Elite und Gesellschaft Rückschlüsse auf die inneriranische Debatte über den Atomstreit - hier die Tauben der Opposition, da die Falken des Regimes - ziehen wollte, irrt.

Gerade das Gegenteil ist der Fall: Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad wird nicht nur von rechten Hardlinern die Einwilligung zum von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) ausgearbeiteten "Atomdeal" - der Ausfuhr niedrig angereicherten Urans ins Ausland und dessen Weiterverarbeitung zu Brennstoff - erschwert, sondern auch von Kräften rund um die Opposition. Das Uran aus der Hand zu geben sei ein Ausverkauf der Interessen des Iran, sagen sie - vor allem angesichts der Gefahr, dass der Iran, wenn in dem zur Abwicklung des Deals vorgesehenen Jahr etwas schiefläuft, womöglich nicht einmal etwas zurückbekommt. Daher stammt die Forderung nach einem gleichzeitigen "Tausch" , und zwar, das einzig wirklich Sichere, auf iranischem Boden: Uran gegen Brennstoff.

Wobei die Rechten jedoch letztlich auf Ahmadi-Nejad hören würden. Sie wissen, aus ihm spricht His Master's Voice - die des religiösen Führers Ali Khamenei. Die anderen, deren Freunde soeben vor Gericht als "schlechte" Iraner verurteilt werden, würden Ahmadi-Nejad ein eventuelles Einlenken hingegen mit Genuss vorhalten und als die Wahrer der iranischen nationalen Interessen dastehen.

Wobei aber ein Nachgeben der internationalen Verhandler in dieser Frage schwer vorstellbar ist: Ein gleichzeitiger Tausch käme einem Kaufgeschäft gleich, der Iran würde ja quasi nicht sein eigenes, weiterverarbeitetes Uran zurückbekommen, sondern Brennstäbe erwerben. Das ist unter den bestehenden Uno-Sicherheitsratsresolutionen, die alle Atomgeschäfte mit dem Iran verbieten, nicht leicht zu rechtfertigen. Auch für den jetzigen IAEO-Plan müssten die Sanktionen schon teilweise "neuinterpretiert" werden.

Das iranische Regime kümmert dieses Argument wenig, denn es sieht in dem Deal sehr wohl - anders als von den internationalen Verhandlern beteuert - ein Abgehen von der Forderung nach einem prinzipiellen Urananreicherungsstopp. Die internationale Gemeinschaft wiederum nimmt dieses bewusste Missverständnis in Kauf, wenn sie dafür dem Iran die Möglichkeit entzieht, sein Uran weiter anzureichern, bis zur Waffenfähigkeit. Wobei niedrig angereichertes jedoch ohnehin laufend nachproduziert wird.

Obwohl es nicht kontroversiell, sondern nur in eine Richtung diskutiert wird, ist das Atomthema durch die umstrittenen Wahlen noch viel mehr ein zentrales innenpolitisches, ja ein Staatsthema im Iran geworden. Nur mit dem nuklearen Thema kann Ahmadi-Nejad so etwas wie einen nationalen Konsens herstellen. Dennoch wäre sein allergrößter Erfolg eine Annäherung an die USA. Um den USA auf gleicher Augenhöhe entgegenzutreten und einen "Grand Bargain" abzuschließen, braucht er - das ist zumindest die iranische Auffassung - wiederum das Atomprogramm.

Je härter Ahmadi-Nejad jetzt auftritt, desto leichter könnte er später einen Deal innen verkaufen. Aber durch diese Härte könnten ihm in der Zwischenzeit die internationalen Verhandlungspartner abhandenkommen, und zwar schneller, als er vielleicht glaubt. Je nach der Dramatik eines Abbruchs der Gespräche könnte sich die iranische Strategie verhärten: Geht heute die Mehrzahl der Analysten davon aus, dass dem Iran eine voll ausgebaute Atomoption genügt, könnte es dann wirklich um Waffen gehen.  (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.11.2009)