Renate Brauner kann sich nach der Wahl 2010 weder mit Schwarz noch mit Grün eine Koalition vorstellen: "Das ist keine Option. Mein Wunsch-Koalitionspartner ist die Sozialdemokratie."

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Standard: Nächste Woche wird im Gemeinderat das Budget für 2010 beschlossen. Sie gehen von weniger Einnahmen aus - und wollen trotzdem mehr ausgeben. Sind alle Einsparungspotenziale ausgeschöpft?

Brauner: Es stimmt, die Einnahmen werden weniger sein, momentane Prognosen gehen von circa 500 Millionen weniger an gemeinschaftlichen Ertragsanteilen aus. Wir steuern sehr bewusst antizyklisch und können mehr ausgeben, weil die Stadt Wien in den vergangenen Jahren sehr gut gewirtschaftet hat. Und wir sparen in der Verwaltung im engerenen Sinn. Zum Beispiel, indem wir auf SAP-Standard - also auf ein einheitliches System im Rechnungswesen - umgestellt haben.

Standard: 60.000 Beamte sind dennoch sehr viel für eine 1,7-Millionen-Stadt.

Brauner: Stimmt. Aber es wird halt leider oft vergessen, dass nur zehn Prozent davon im engeren Sinn in der Verwaltung tätig sind, die anderen 90 Prozent klettern etwa in den 10. Stock rauf und holen als Feuerwehrmann Menschen herunter oder arbeiten im Kanal oder bei der Müllabfuhr. Und wenn wir heuer zusätzliches Personal brauchen, dann kann sich natürlich die Opposition hinstellen und sagen: "Typisch! Die sparen nicht!" Aber wenn wir unser Angebot in der Kinderbetreuung, in der Pflege, in der Sozialarbeit ausweiten wollen - ja wer soll denn das machen, der Heilige Geist?

Standard: Wien ist allerdings besonders spendabel: Im Westen bekommt ein pensionierter Beamter laut Rechnungshof mitunter 1000 Euro weniger als in Wien.

Brauner: Das muss man sich von Fall zu Fall anschauen. Wien hat dieselbe Pensionsreform vollzogen wie der Bund unter Schwarz-Blau, allerdings mit längeren Übergangsfristen. Nicht, weil wir reformunwillig sind, das war eine bewusste politische Entscheidung.

Standard: Apropos politische Entscheidung: Sie betonen gerne, dass die Wiener Linien ein eigenständiger Betrieb sind, bei dem Sie sich als zuständige Stadträtin nicht laufend einmischen. Nun, ein Jahr vor der Wahl, ist auf Ihr Betreiben hin eine eigene Reinigungstruppe für Öffis installiert worden. Wie passt das zusammen?

Brauner: Weil ich dafür zuständig bin! Natürlich sind die Wiener Linien als Unternehmen organisiert, und ich würde mir nie anmaßen, mich in Ausbildungsfragen oder ins Management einzumischen. Aber die Frage zum Beispiel, ob sich Frauen dort sicher fühlen - etwa aufgrund durchgängiger U-Bahn-Wägen - ist eine politische. Die Stadt Wien zahlt jährlich 260 Millionen Betriebskostenzuschuss und 270 Millionen Investitionszuschuss. Ich bin dafür verantwortlich, dass das gut verwendet wird. Wofür ich nicht verantwortlich bin, ist zum Beispiel, welche Prüfung ein Fahrer absolvieren muss.

Standard: Sind Sie dafür verantwortlich, dass die Außenspiegel, die künftig verhindern sollen, dass Fahrgäste von der Bim mitgeschleift werden, nach eineinhalb Jahren Diskussion noch immer nicht überall angebracht wurden?

Brauner: Ich fühle mich verantwortlich dafür, dass die Leute sicher transportiert werden. Und das ist auch mein ganz klarer Auftrag ans Unternehmen. Aber ob das jetzt mit einem Rückspiegel ist oder einer Fühlerkante oder wie in Tokio mit eigenem Sicherheitspersonal, das kann ich nicht beurteilen. Ich bin weder Technikerin noch U-Bahn-Organisatorin.

Standard: Die U-Bahn fährt seit 30 Jahren, warum gibt es jetzt plötzlich ein Sauberkeitsproblem?

Brauner: Weil die Menschen da sehr sensibel geworden sind. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, dass das früher ein Thema war - vielleicht essen die Leute heute mehr in der Öffentlichkeit. Ich hielte es für einen Wahnsinn, so viel Geld in die Hand zu nehmen für eine tolle U-Bahn und gleichzeitig steigt der Unmut der Leute.

Standard: Bürgermeister Michael Häupl hat eine Volksbefragung angekündigt, unter anderem zum Thema 24-Stunden-U-Bahn am Wochenende. Wie stehen Sie zu dieser ÖVP-Forderung?

Brauner: Ich glaube, dass es nicht einfach umzusetzen sein wird, weil es natürlich zusätzliche Kosten macht. Und weil wir in Zeiten wie diesen möglichst effizient Wirtschaften müssen. Gleichzeitig wollen wir das bestmögliche Service anbieten. Viele junge Leute sagen: "Das wollen wir unbedingt." Das Beste ist, die Leute zu fragen. Wie sie es wollen, wird's gemacht.

Standard: Braucht es dafür gleich eine Volksbefragung? Reicht da nicht eine von der SPÖ finanzierte Umfrage?

Brauner: Es ist schon ein großer Unterschied, ob man eine Umfrage macht oder ob man sagt: Das sind Themen, zu denen es unterschiedliche Meinungen gibt, fragen wir die Leute. Ich persönlich finde partizipative Ansätze sehr positiv.

Standard: Fragt die SPÖ da auf Kosten der Allgemeinheit die besten Wahlzuckerln ab?

Brauner: Das können Sie bei allem sagen. Dagegen ist man als Partei relativ wehrlos. Macht man's nach der Wahl, heißt es, die haben extra bis nach der Wahl gewartet, wenn man's davor macht, ist es ein Wahlzuckerl, macht man's zwischen den Wahlen heißt es: "Ah! Die wollen die Wahl vorverlegen!"

Standard: Wie viel würde der U-Bahn-Nachtbetrieb kosten?

Brauner: Da sprechen wir schon von mehreren Millionen. Nicht nur, weil der Betrieb nachts aufrechterhalten werden muss, sondern auch, weil die ganze Wartung umgestellt werden muss. Die passiert ja in der Nacht.

Standard: Sie gelten als sehr Grünen-kritisch. Sollte sich 2010 keine absolute Mehrheit für die SPÖ mehr ausgehen, ist ihr Wunsch-Koalitionspartner die ÖVP?

Brauner: Mein Wunsch-Koalitionspartner ist die Sozialdemokratie.

Standard: Und wenn diese nicht mehr allein regieren kann?

Brauner: Das ist keine Option. Wir werden alles daran setzen, dieses absolute Vertrauen der Wienerinnen und Wiener wieder zu erringen. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 21./22.11.2009)