Man muss nicht einmal vom schlimmsten aller anzunehmenden Fälle ausgehen, um das Vorhaben des Gesundheitsministers zu unterstützen, der die "Pille danach" neun Jahre nach ihrer Zulassung rezeptfrei stellen will. Es reicht ein geplatztes Kondom, dazu ein Partner, der längstens bis zur nächsten Woche einer ist, und Sex nach Ladenschluss, wenn der Arzt nur mehr im Spital erreichbar ist. Da beginnt es schon unangenehm zu werden.

Zumindest für jene, die sich überhaupt dessen bewusst sind, dass man auch nach einmaligem Geschlechtsverkehr plötzlich als Mutter und Vater dastehen kann. Dann also ins Spital, um auf das leidige Rezept zu warten oder in der Apotheke betteln, auf dass der Diensthabende auch den Notfall erkenne. Ja, das ist mühsam, peinlich - und vor allem unsicher. Denn, je mehr Zeit vergeht, desto weniger wirksam.

Die Argumente gegen die Freigabepläne richten sich in erster Linie gegen die hohe Hormondosis, die frau dabei schluckt. Und sie reichen bis zur Befürchtung, dass die "Pille danach" als alternatives Verhütungsmittel verwendet werden könnte. Bloß stechen diese Argumente einander aus: Ja, Übelkeit, Bauchschmerzen, starke Blutungen treten bei der Einnahme auf. Aber gerade deshalb wird nicht einmal die blauäugigste Jung-Liebende die "Pille danach" als Kondomersatz begreifen. Das Heimlager von Hormonbombern ist genau so absurd wie die Befürchtung, dann "allzeit bereit" sein zu müssen. Ganz im Gegenteil: Wer einmal im Nachhinein verhütet hat, wird vor dem nächsten ungeschützten Sex fragen: "Hey, bist du gscheit?" (Karin Moser, DER STANDARD/Printausgabe 20.11.2009)

Contra: Allzeit bereit!

Ein bisschen Kopfweh, ein bisschen Blut und weg ist sie, die mögliche Schwangerschaft. Ein Gang in die Apotheke innerhalb von 72 Stunden nach dem Ereignis wischt die Sache vom Tisch. Für den Notfall soll sie sein, die Pille danach. Wer sagt, was ein Notfall ist? Wohl selten gibt es in einem Fall ein derart buntes Spektrum an Notfällen. Vom falschen Mann in der falschen Nacht bis zur Vergewaltigung und zum geplatzten Kondom. Wann wirklich Not am Mann ist, bestimmt die Frau. Und sie muss ermächtigt sein, sich die nötige Hilfe zu verschaffen. Sich diese unter ärztlicher Begleitung zu verschaffen, ist möglich.

Aber geht es darum überhaupt in der Diskussion über die Rezeptbefreiung? Oder geht es darum, die sexuelle Verfügbarkeit der weiblichen Hälfte der Menschheit weiter auszudehnen? Ab jetzt gibt's keine Ausrede mehr für Sexverweigerinnen. Kein Kondom? Kein Problem! Wird die Anti-Baby-Pille von führenden Gynäkologen als Lifestyle-Produkt qualifiziert, gilt das für die Pille danach erst recht.

Sie ist das Pharma-Äquivalent zu Musikvideos, in denen anonymes Weibervolk alles, was es oben und unten rum hat, dem Superstar anbieten, zu einer pornografisierten Jugendkultur, in der die Mottos "Allzeit bereit" und "Verhütung ist Frauensache" zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen im (alten?) neuen Geschlechtervertrag gehört. Diesen zu diskutieren ist weitaus mühsamer, als sich eine pseudo-fortschrittliche Feder an den politischen Hut zu stecken. (Bettina Stimeder, DER STANDARD/Printausgabe 20.11.2009)