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Wo wollen die Sozialdemokraten hin? Wer soll EU-Außenminister werden? In der Brüsseler EU-Mission Österreichs rangen die roten Spitzen um Contenance und einen Kandidaten.

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Herman Van Rompuy und Catherine Ashton

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Die Würfel sind gefallen: Fredrik Reinfeldt präsentiert das neue Führungstrio der EU auf einem Rubik-Würfel.

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Brüssel/Wien - Der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy wird erster fixer Ratspräsident der EU. Auf den niederländischen Christdemokraten einigten sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend bei einem Sondergipfel in Brüssel. Neue EU-Außenministerin wird die britische Sozialdemokratin Catherine Ashton. Sie ist seit einem Jahr EU-Außenhandelskommissarin.

Die beiden EU-Spitzenposten werden durch den Vertrag von Lissabon geschaffen, der am 1. Dezember in Kraft tritt. Der ständige Ratspräsident hat eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren und soll für mehr Kontinuität sorgen. Ashton wird auch die nächsten fünf Jahre Vizepräsidentin der EU-Kommission sein. Bei den Fachministertagungen bleibt aber die bisherige Ratspräsidentschaft, die alle sechs Monate unter den Mitgliedsstaaten rotiert, erhalten.

Mit dieser Entscheidung hat kein Osteuropäer ein EU-Spitzenamt inne, denn Kommissionspräsident ist der Portugiese José Manuel Barroso. In den vergangenen Tagen hatte die frühere Präsidentin Lettlands, Vaira Vike-Freiberga, den Anspruch auf das EU-Präsidentenamt erhoben.

Während Van Rompuy sein Amt bereits Anfang Dezember antreten soll, muss sich Ashton in ihrer Funktion als Vizepräsidentin der EU-Kommission noch einem Zustimmungsvotum des Europaparlaments stellen. Die EU-Kommission kann erst nach Zustimmung des Europaparlaments ihr Amt antreten. Die Einigung auf Ashton erfolgte bei einem Treffen der sozialdemokratischen Regierungschefs in der österreichischen EU-Vertretung in Brüssel. Österreichs Regierung begrüßte die Personalentscheidungen.

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SP-Feuerwehraktion brachte Ashton an die Spitze

Der High Noon begann in Brüssel am Donnerstag erst ab 15.30 Uhr. In der Avenue Cortenbergh Nr. 30 in unmittelbarer Nähe des EU-Ratsgebäudes befindet sich die Ständige Vertretung Österreichs bei der Union.

Dorthin hatte Bundeskanzler Werner Faymann - einer der drei Vermittler der Sozialdemokraten für die beiden Spitzenjobs der EU - seine Parteifreunde in einer Blitzaktion zur Vorbesprechung des EU-Gipfels geladen.

Bereits dort fiel die wichtigste Vorentscheidung für das große EU-Personalpaket, über das die 27 Staats- und Regierungschefs seit fast drei Wochen heftig debattiert und gestritten hatten - und das wenig später im Eilzugstempo von nicht einmal 90 Minuten beschlossen wurde. Ein Gipfelrekord.

Die SP-Granden gaben den Weg zum Kompromiss - Schwedens Außenminister Carl Bildt sprach von einer "Minimal-Lösung", einer "historisch vertanen Chance" - vor: Nicht der bisherige Favorit der Sozialdemokraten, Italiens Ex-Premierminister Massimo D'Alema, sollte zum neuen EU-Außenminister vorgeschlagen werden, sondern die bisherige EU-Außenhandelskommissarin Catherine Baroness Ashton aus Großbritannien.

Der britische Premierminister Gordon Brown gab seine Zustimmung, hatte eingesehen, dass sein Vorschlag bis zuletzt, Tony Blair zum ständigen Präsidenten des Europäischen Rates zumachen, niemals eine Mehrheit finden würde.

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Die Christdemokraten hatten durch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bereits signalisiert, dass Blair sicher keine Mehrheit finden würde, genauso wenig wie D'Alema. Gegen ihn gab es nicht nur Vorbehalte wegen seiner ex-kommunistischen Vergangenheit. Er hat sich als italienischer Außenminister 2006 freundlich gegenüber extremistischen Palästinensern geäußert - und Israel attackiert, was in den Augen vieler als keine ideale Voraussetzung für einen europäischen Außenminister angesehen wurde.

Der rote Deal zugunsten einer Frau nahm der Kritik an männerdominierten Entscheidungen den Wind aus den Segeln und machte den Weg frei für den belgischen Premierminister Herman Van Rompuy. Auf ihn hatten sich die Christdemokraten bereits vor längerem verständigt. Die Einwände gegen ihn durch Briten und Osteuropäer fielen mit dem Verzicht auf Blair de facto zusammen.

Die EU-Spitzen hatten kaum den Aperitiv beendet, da verlautete aus Ratskreisen bereits, dass Ashton und Rompuy vom schwedischen Premierminister Fredrik Reinfeldt vorgeschlagen worden seien, und dass es kaum Probleme gäbe. Noch beim Dessert wurde dann die frohe Botschaft von der Einigung verkündet.

Königsmacherin Merkel

Dabei hatte es im Vorfeld noch große Nervosität gegeben. Bis weit nach Mitternacht habe der Bundeskanzler am Vortag mit halb Europa telefoniert, und am Donnerstag sei das gleich in der Früh so weitergegangen, hieß es im Lager der Österreicher. Neben Faymann verhandelten Spaniens Premierminister José Luis Zapatero und SPE-Chef Poul Nyrup Rasmussen mit den Christdemokraten.

Dort zog neben "Königsmacherin" Angela Merkel, der deutschen Kanzlerin, noch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Fäden. Merkel sprach bereits zu Beginn der Sitzung davon, sie sei überzeugt davon, dass es einen "breiten Kompromiss" geben werde. Damit wollte sie auch sicherstellen, dass es in der Runde der höchsten politischen Autoritäten am Ende nicht doch noch zu einer Kampfabstimmung kommen könnte. Denn der EU-Vertrag von Lissabon sieht bei Personalbestellungen vor, dass die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit getroffen wird. Einzelne Staaten haben nicht mehr die Möglichkeit, die anderen mit einem Veto zu erpressen.

Aber genau das sollte, bei allem Streit im Vorfeld, um jeden Preis vermieden werden, um der Welt ein Bild der Geschlossenheit zu bieten; und um zu vermeiden, dass einzelne Länder sich bei derartig wichtigen Personalien überfahren fühlen könnten. Reinfeldt hatte angekündigt, dass er notfalls nicht vor einer Abstimmung zurückschrecken würde und so den Druck auf eine gütliche Einigung erhöht.

Da die großen Parteifamilien sich beim letzten EU-Gipfel im Oktober darauf verständigt hatten, die beiden neuen Ämter untereinander aufzuteilen, und das niemand in Frage stellte, war viel Sprengkraft aus dem Gipfel genommen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn betonte zu Beginn der Sitzungen in Brüssel, dass der EU-Außenminister jedenfalls aus der SPE kommen müsse. Nur so könne der Einfluss der Sozialdemokraten in der EU-Kommission gestärkt werden.

Bei den Christdemokraten siegte trotz einzelner Widerstände gegen Rompuy letztlich die Überzeugung, dass sich stärkere andere Kandidaten nicht finden ließen. Da klar war, dass der Präsident aus einem kleinen EU-Land kommen müsse, wenn ein mächtiges Mitglied wie Großbritannien den Außenminister stellt, wäre die Alternative bloß Jan Peter Balkenende oder Jean-Claude Juncker aus Luxemburg gewesen.

Alle diese drei sind politisch auf einer sehr ähnlichen Linie: Unter anderem forcieren sie europäische Verteidigungsbündnisse außerhalb der Nato. Aber das war für Brown kein Thema mehr. (Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2009)