Erschienen bei Second Run, Region 2

Foto: Second Run

Die ersten Einstellungen dieses Films sind vehement. Hier betritt ein neuer Filmemacher die Bühne des Weltkinos, und er will, dass man das sofort erkennt. Das stumme, fast ausdruckslose Gesicht von Vincente (Pedro Hestnes) in Großaufnahme. Aus dem Off fährt eine Hand auf ihn zu und schlägt zu. Sie gehört seinem Vater, der gerade dabei ist, ihn zu verlassen. "Mache mit mir, was du willst", sagt ihm der Sohn noch nach, eine Unterwerfungsgeste, die sich augenblicklich selbst verzehrt. Dann nimmt der Alte seinen Koffer, und die kargen Bäume rundum verleihen der Szene die Ambivalenz eines düsteren Märchens.

Blood / O Sangue ist auch in der Folge eher einem Realismus mit lyrischen Überhöhungen verpflichtet. Vincente und sein jüngerer Bruder Nino (Nuno Ferreira) formen gemeinsam mit dem Mädchen Clara (Inês de Medeiros) eine fragile Einheit, in der Absicht, sich irgendwie durchzuschlagen - "als würden sie beschließen, denselben Traum zu teilen", wie der ehemalige Leiter der portugiesischen Kinemathek, João Bénard da Costa, in einer kurzen, schönen Analyse des Films ausführt. Seinem Andenken - er starb vergangenen Mai - ist die DVD gewidmet. Zahlreiche filmhistorische Verweise sind dem Film immanent, er trägt sie nicht vor sich her. Man denkt an die fatalistische Romantik von Nicholas Rays They Live by Night, auch an Charles Laughtons The Night of the Hunter.

Zugleich ist Costas Debüt von 1989 in seiner konzeptuellen Strenge sehr europäisch - die Handlung ist bewusst löchrig, dafür dehnen sich einzelne Situationen bis zu wundersamen magischen Grenzen aus. Als Nino, viel später im Film, von seinem Onkel in ein Aquarium mitgenommen wird, erscheinen dessen stumme Bewohner hinter Glas schon wie eine Erinnerung an die früheren Tage in der Wildnis des Rio Tejo. Die Kamera von Martin Schäfer, der viel mit Wenders gedreht hat, ist in diesem Film von einer enormen Expressivität, doch sie entscheidet sich ständig für Unerwartetes. Blood gibt sich mit keiner äußerlichen Schönheit zufrieden. Das Schwarz lauert hier überall. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.11.2009)