"Kunst ist scheiße" - und daher gilt es die Seiten zu wechseln und fortan als Produzentin Kunst am besten zu verspeisen: Die US-Amerikanerin Martha Wilson, eine Pionierin weiblicher Video-Performance-Kunst, geht in ihren Anfang der 70er-Jahre entstandenen Arbeiten mit gutem Beispiel voran.

Foto: Sixpack

Wien - Die junge Frau sitzt an einem Tisch und blickt frontal in die Kamera: "Art sucks" , "Kunst ist scheiße" , stellt sie fest - jedoch nur, um diesen Kalauer gleich zu wenden: Die Kunst sauge nämlich tatsächlich auf, nähre sich parasitär von Identitäten unbeteiligter Dritter. Wer auf die Produktionsseite wechsle, könne diesen Vorgang allerdings umgehen. Am besten gleich mit einer Gegeneinverleibung - auch wenn das erste Stückchen eines Fotos noch lustig schmeckt. Brrr.

In den frühen 1970er-Jahren machte die gebürtige US-Amerikanerin Martha Wilson in Kanada eine ganze Serie solcher kurzer Videos, die sich auf sehr pointierte und humorvolle Art mit dem Performen vor einem Videomonitor, mit "method art" und anderen (Selbst-)Darstellungsformen auseinandersetzten. Die schwarz-weißen, ungeschnittenen und statischen Aufnahmen erinnern auch formal noch stark an Schulfilme und vergleichbare nützliche Bilder.

Stadtguerilla im Brachland

13 Lessons in Performance Art greift dieses Moment im Titel auf. Schließlich haben auch viele andere Performances den Charakter einer - mehr oder weniger ernsthaften - Lektion. Zwecks Akzentuierung setzt man auf repetitive Strukturen, entwirft eigentümliche Rituale, absurde Bewegungsfolgen oder seltsame Signale: Wie geheimnisvolle Lotsen oder Vorposten einer Sponti-Stadtguerrilla stehen einzelne Figuren in Joan Jonas' Arbeit Song Delay (1973) im Brachland, eine maskierte Artistin holpert im Rhönrad über steinigen Grund und markiert das Bild mit einem "X" .

Häufig hat man es neben physisch sehr präsenten auch mit wortgewaltigen Performerinnen zu tun: ob es in ihren Auftritten nun um die Entfaltung theoretischer Reflexionen und um beträchtlichen Wortwitz geht (wie etwa bei Wilson) oder auch um reine Stimmgewalt, wenn Marina Abramovic Partner Ulay niederschreit (AAA - AAA). Eine Performance, die 1978 aufgezeichnet wurde - die Setzung des Bildrahmens und dessen allmähliche Zuspitzung zeigen auch, worum es der Wiener Schau geht: nämlich performative Arbeiten zu präsentieren, die das Moment der Aufzeichnung und das Medium konzeptuell miteinbeziehen und es nicht bloß zu Dokumentationszwecken nutzen.

Weibliches Selbstverständnis

Die Auswahl trägt dem Umstand Rechnung, dass Performance und Videokunst seit ihren Anfängen weiblichen Kunstschaffenden zugänglicher waren als andere Kunstsparten. Nicht von ungefähr bestimmt dies die Inhalte mit. Eine Reihe von Arbeiten kreist bis heute um das Selbstverständnis als Künstlerin - wie Ina Wudtkes A Portrait of The Artist as A Worker (Rmx.) von 2000, das gewitzt den Multi-Tasking-Anspruch an zeitgenössische Kunstproduzentinnen veranschaulicht.

Das umfangreiche Programm erstreckt sich über einen historischen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, ist jedoch nicht chronologisch organisiert. Stattdessen folgt jeder der 13 Filmblöcke einem aus den Recherchen der Kuratoren Christa Benzer, Brigitta Burger-Utzer und Dietmar Schwärzler heraus entwickelten Thema.

Aspekte wie die Erfahrung eines konkreten Ortes ("The Experience of Place" ), die "Subversion der Geschlechternormen" oder die Auseinandersetzung mit Mutterrollen und -beziehungen ("Mother, dear Mother") bringen Arbeiten von Pionierinnen feministischer Film-/Videokunst wie Martha Rosler, Joan Jonas, Carolee Schneemann, Marina Abramovic oder Valie Export mit jenen jüngerer Künstlerinnen wie Lida Abdul, Keren Cytter, Sabine Marte oder Klara Liden zusammen.

Die Schau, die auch angesichts der Präsenz von Performance-Kunst wichtiges Grundlagenmaterial liefert, ist von 19. bis 28. November im Wiener Top-Kino zu sehen. Wie heißt es so schön in Carola Dertnigs Dégueulasse, der das erste Programm eröffnet: "One, two, three, four - perform, perform, perform." (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 18.11.2009)