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In der Erinnerungskultur der Sudetendeutschen dominiert nach wie vor Traditionspflege, wenngleich auch den "Widerständlern" Tribut gezollt wird.

Foto: AP/Krzywon

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Nationalsozialistische Propagandapostkarte nach der Besetzung des Sudetenlandes, das die Ankunft antifaschistischer Kämpfer im Konzentrationslager zeigt. Die Bildaufschrift besagt: "Eingelieferte Volksverräter in Graslitz - Kommunisten und Rote Wehrmänner". 

Foto: Seliger Archiv / Friedrich-Ebert-Stiftung

Wien / Ústí - Herbert Löwit, 1923 in eine sozialdemokratische Familie in Teplitz (Teplice) geboren, kämpfte in der Armee der Exil-Tschechen in England gegen Nazi-Deutschland. Als er nach dem Krieg zurück in die Heimat im Sudetenland kam, fand er bald heraus, dass er unerwünscht war - er ging wieder nach England.

Der Sozialdemokrat Leo Zahel, geboren 1905 in Wagstadt (Vítkov) im Gebiet Troppau, deckte die absichtliche Produktion von Ausschuss in einem Rüstungsbetrieb. Nach dem Krieg ohrfeigte ihn ein russischer Soldat, weil er ihm nicht tschechisch antwortete. Er kam in ein Arbeitslager und wanderte mehr oder weniger freiwillig nach Wien aus, wo er 1963 starb.

Heinrich Haugwitz, 1901 in Osová (Ossowa) in ein altösterreichisches Adelsgeschlecht geboren, das tschechischen Familien während des Krieges half, die von den Nazis verfolgt wurden. Nach dem Krieg wurde sein Vater als "Volksfeind" zur Zwangsarbeit geschickt, die Mutter kam mit den Kindern in ein Internierungslager. Erst mithilfe der Zeugenaussagen tschechischer Freunde kam die Familie frei und konnte sich nach Strobl (Salzburg) durchschlagen. Haugwitz starb 1966 in Wien.

Das sind nur drei Schicksale von insgesamt 70 Widerständigen, die jeder auf seine Weise gegen die Nazis kämpften. Historiker aus Tschechien, Deutschland und Österreich gruben sie für die Wanderausstellung Zapomenutí Hrdové ("Vergessene Helden") aus - und interviewten die noch lebenden, mittlerweile hochbetagten Frauen und Männer auch zum Großteil. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie ihr Widerstand in Lebensgefahr und das Kriegsende um ihre Existenz brachte. Viele mussten, ebenso wie die Kollaborateure und Nazi-Sympathisanten, ihre Heimat verlassen. Nur wenige kehrten je wieder nach Tschechien und in die Slowakei zurück. Anerkennung bekamen sie zeit ihres Lebens nicht - bis jetzt.

"Vergessene Helden" ist ein erster Schritt, das zu ändern. Die Ausstellung wandert seit zwei Jahren und war schon in elf Städten in Tschechien und Deutschland, zuletzt in München, im Sudetendeutschen Haus. Jetzt ist sie bis 17. Dezember im Foyer der Universitätsbibliothek in Wien zu sehen - auf Betreiben von Rektor Georg Winckler und dem Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte, Oliver Rathkolb.

Umdenken bei Tschechen

Die Geschichten der "vergessenen Helden" zeigen, dass es auch im Sudetenland antifaschistischen Widerstand gegen das expansions- und kriegswütige Nazi-Deutschland gab - und dieser Widerstand war nicht nur kommunistisch oder sozialdemokratisch organisiert und motiviert. "Die Reaktionen auf unsere Ausstellung waren durchwegs positiv, auch in Tschechien", sagt Tomás Okurká, Museumshistoriker in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe). Okurka: "Es hat sich etwas verändert. Vor 20 Jahren waren die meisten Tschechen noch der Meinung, dass alle Sudetendeutsche Nazis waren."

Das ist durchaus bemerkenswert. Denn "die" Sudetendeutschen, die 1938 auf Betreiben der faschistischen Sudetendeutschen Partei unter Konrad Henlein den Einmarsch der Nazis mehrheitlich begrüßten, hatten bei Tschechen und Slowaken jahrzehntelang einen ziemlich üblen Ruf. Die Dekrete von Staatsgründer Edvard Benes, welche die Enteignung und Vertreibung deutschstämmiger "Staatsverräter" anordneten, stießen vor und nach der demokratischen Wende 1989 auf beinahe ungeteilte Zustimmung der Öffentlichkeit. Der tschechische Präsident Václav Klaus, der sich mit Verweis auf besagte Dekrete bis zuletzt erbittert gegen den EU-Reformvertrag von Lissabon stemmte, konnte in der Folge auf gute Umfragewerte bauen.

Die tschechische Regierung hat, unbeeindruckt von Klaus, im Jahr 2005 eine Erklärung unterschrieben, in der sie ganz klar unterscheidet zwischen den Nazi-Kollaborateuren und jenen, welche ihre Loyalität zur demokratischen Tschechoslowakei bewiesen - und sich bei Letzteren dafür entschuldigt, dass ihre Leistungen nicht anerkannt wurden und sie auch oft nach dem Krieg noch als vermeintliche Verräter verfolgt wurden.

Dauerausstellung geplant

Die Ausstellung ist direkte Folge der Erklärung der Prager Regierung und Teil eines Forschungsprojekts: Das Zeitgeschichte-Institut der Prager Akademie der Wissenschaften, das Nationalarchiv und das Museum Ústí arbeiten daran, die schmerzvolle Geschichte von Tschechen und Deutschen zu entwirren. Am Ende soll Ústí eine Dauerausstellung der Geschichte der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei beherbergen.

Neben einem neuen Stadtmuseum soll dort, kofinanziert von EU, Kollegium Bohemicum und deutsch-tschechischem Zukunftsfonds, auch ein Museum für die "Geschichte der Deutschen in Böhmen", entstehen. Jirí Èistecký, Direktor im Prager Außenministerium, sieht darin "einen ersten großen Schritt" und unterstreicht Tschechiens Bemühungen, "gegenseitige Vorurteile abzubauen". (Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 17. 11. 2009)