Lou Barlow: "Goodnight Unknown" (Domino Recordings/Hoanzl 2009)

Foto: Domino

Dass der Mann nicht nur im Schlafzimmer rauschende, scheppernde Töne erzeugen kann, wusste man bereits vor "Goodnight Unknown". Seit 2005 werkt Lou Barlow zwar wieder am Bass bei Dinosaur Jr. Und in dieser Formation geht es eher saftig und lautstark zu. Schon das damals quasi nebenbei entstandene Solo-Album "Emoh" war allerdings eine Ansammlung skizzenhafter Intimitäten. Es war auch das erste Werk, für das sich der heute 43-Jährige mit dem beachtlichen Oeuvre nicht hinter einem Pseudonym verschanzte. Die kratzbürstige Oberfläche mit innigem Kern verdankt sich damals wie heute in nicht geringem Ausmaß dem Experimentieren mit älteren Aufnahme-Techniken.

So gesehen überrascht nicht, dass dem 43-Jährigen aus Massachusetts auch auf dem neuen Solo-Album der Sinn wieder einmal nach in die Welt gehauchter schaurig-schöner Melancholie steht. Hätte das Wort Ohrwürmer nicht einen erdenklich zweifelhaften Beigeschmack: Auf dem nicht mehr ganz taufrischen Album wäre es mehr als einmal angebracht. Aber keine Angst: Auf den charakteristischen Lo-Fi-Unterton muss niemand verzichten. Ist ja quasi auch die Existenzgrundlange des Mannes, der schon während seiner Zeit mit Dinosaur Jr., die er 1984 miterfand, an diversen Parallelprojekten zimmerte. Die Schlafzimmer-Songs - öffentlich gemacht unter dem Namen Sebadoh - verschafften ihm immerhin in der Musikwelt die Ehre, zu den Mitbegründern des "Lo-Fi"-Sounds gezählt zu werden. Und was, wenn nicht eine gute Story, zählt am Musikmarkt am meisten. Immer gut, wenn dann auch noch einiges dahinter steckt. Und Barlow hat Stoff zu bieten: Von Mascis nach dauerhafter Uneinigkeit aus der Band geworfen, geht er nicht nur mit Sebadoh, sondern auch mit The Folk Implosion eigene, mitunter mitreißende Wege zwischen Alternative-Rock und Low-Fi-Pop. 1994 mit Singer-Songwriter John Davis aus der Taufe gehoben, entspringen auch diesem Nebenprodukt mehrere EPs und der Soundtrack des Films "Kids". Dessen Song "Natural One" dürfte zu Barlows größten kommerziellen Erfolgen zählen.

"Emoh", dem Konglomerat von Songs, die zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Studios entstanden, wollte Barlow jedenfalls nach eigenem Bekunden ein Werk aus einem Guss nachschieben. Gut, dass solche Verkaufsargumente für den Fan unerheblich sind, denn den Schliff finde - neben dem Lo-Fi-Unschliff - wer wolle, der Lou-Barlow-Anhänger eher nicht. Macht aber rein gar nichts. Ganz im Gegenteil. Was durch das Werk zwischen "Too Much Freedom", "I'm Thinking" oder "Don't Apologize" irgendwie und zwischendurch - wenn auch oft mehr am Rand denn im Zentrum - irrlichtert, ist selbstverständlich die Musik, die Barlow sich während der Aufnahmen zu Gemüte führte. Kunterbunt und abwechslungsreich ist die vom Meister gereichte Liste. The Knife, Panda Bear, Country-&-Western-, 60s-Garage/ Psychedelia, Ska oder Punk kommen da vor. Was herauskommt, ist - dem stilistischen Überschwang zum Trotz - durchaus lobens- und liebenswert: 14 grobe Skizzen, kurz, einfach, energisch und mit viel Gefühl. (mareb)