Seit 14. Juli ist Miriam Mutter. Tochter Lena ist vier Jahre alt, sie ist ein Pflegekind. Und Miriam ist nicht Lenas erste Mutter. Da gibt es einmal die leibliche Mutter, bei der das Mädchen eine Zeit verbracht hat. Jetzt gibt es Miriam.

Das Besondere für Lena: Sie hat jetzt gleich zwei Mütter. Die Miriam-Mama und die Karin-Mama. Karin ist die Lebensgefährtin von Miriam.

Noch ist es für Lena selbst nichts Ungewöhnliches, zwei Mamas zu haben, sie hat das als selbstverständlich hingenommen. Ungewöhnlich ist es dagegen für Karin. Sie hatte nicht unbedingt einen Kinderwunsch verspürt, sie kam quasi erst in Miriams "Schwangerschaftsphase" hinzu, also in jener Phase, als sich Miriam um ein Pflegekind bemühte und die entsprechenden Vorbereitungskurse besuchte. Miriam und Karin sind erst ein knappes Jahr zusammen.

"Ich wollte schon lange ein Kind" , erzählt Miriam. Sie ist jetzt knapp 40, sie ist lesbisch und den Behörden gegenüber gilt sie - unabhängig von einer Partnerschaft - als alleinstehende Frau. Eine Inlandsadaption ist rechtlich nicht möglich. Die bleibt Paaren vorbehalten. Heterosexuellen Paaren. "Verschiedengeschlechtlich" , wie Miriam sagt. Sie findet das "total ungerecht" . Ihr und anderen gleichgeschlechtlichen Paaren bleibt also nur die Auslandsadoption. "Das kostet viel Geld, und irgendwie bleibt da ein schaler Geschmack von wegen ,Kind kaufen‘" . Miriam kennt andere gleichgeschlechtliche Paare, die den Weg über Auslandsadoptionen genommen haben. "Da sind viele Kinder mit sehr schwierigen Geschichten dabei, die kennt man nicht, die kommen erst später heraus."

Und es gibt Pflegekinder. Auch die haben in der Regel bereits eine Geschichte hinter sich, und fast immer ist es eine schwierige, oft eine grausliche Geschichte, eine, in der Eltern schrecklich überfordert sind. Der Vorteil aus Miriams Sicht: Man kennt diese Geschichte. Man kann darauf eingehen. Man kann die leibliche Mutter kennenlernen. Soll es sogar.

Miriam und Karin versuchen, bei Lena etwas wettzumachen. Das Leben hat es mit dem Kind bisher nicht so gut gemeint hat. Sie wollen gute Eltern sein. "Lustig" , sagt Miriam, "wir haben dabei eine ganz klassische Rollenaufteilung. Ich bin die Mutter, Karin nimmt die Vaterrolle ein. Ich habe meine Stundenanzahl in der Arbeit reduziert, ich bin fürs Einkaufen, Kochen und die Arztbesuche zuständig, hole Lena vom Kindergarten ab, am Abend kommt dann Karin von der Arbeit nach Hause." Im Umgang mit dem Kind gibt es keine Rollenverteilung, da gibt es nur Gemeinsames. Es geht einfach um die Zuneigung.

Von der gesetzlichen Regelung der eingetragenen Partnerschaft ist Miriam total enttäuscht. Sie hat sich eine Gleichstellung erhofft. Und zwar in voller Konsequenz. "Ich versteh das nicht, warum da ein Unterschied gemacht wird. Warum dürfen wir kein Kind adoptieren? Warum werden gleichgeschlechtliche Paare anders behandelt? Wir sind weder schlechtere Paare noch schlechtere Eltern."

Miriam würde ihre Partnerschaft mit Karin auch sehr gerne auf einem Standesamt besiegeln. "Ich würde die Partnerschaft nicht eintragen lassen, wenn das für uns nicht auch eine hohe symbolische Bedeutung hätte. Es geht eben nicht nur um rechtliche Fragen."

Erstaunt war Miriam, wie selbstverständlich das Wiener Jugendamt mit ihr, ihrem Kinderwunsch und ihrer Partnerin umgegangen ist. Dass sie lesbisch ist, war kein Thema. "Das Jugendamt ist da sehr offen. Es wird unterstützt, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder aufnehmen. Da merkt man keine Vorurteile." (Siehe Artikel unten.) In der Vorbereitungsgruppe waren sechs Paare, zwei davon gleichgeschlechtlich, je zwei Männer und zwei Frauen. "Niemand hat auch nur mit der Wimper gezuckt" , erzählt Miriam. "Ich hatte nie das Gefühl, dass da etwas komisch ist. Es war so, wie man es gerne hätte. Die Frage, ob gleichgeschlechtliche Eltern, ob Karin und ich schlechtere Eltern sind, wurde nicht gestellt. Diese Frage stellt sich auch nicht, sie ist einfach absurd. Wir sind gleich gute Eltern." Wenn nicht bessere. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 14.11./15.11.2009)