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Multitasking und gute Planung sind gefragt, wenn Lernen und Beruf unter einen Hut gebracht werden wollen

Foto: APA/dpa/Patrick Pleul

Stefan steht an zwei Tagen in der Woche erst am frühen Nachmittag auf. Er trinkt Kaffee, er duscht und er macht sich auf den Weg. Mehr als 100 Nächte hat er im letzten Jahr durchgemacht. Das späte Aufstehen hat mit Feiern oder sonstigem lustigen Studentendasein nichts zu tun. Stefan arbeitet in den Nächten als Nachtportier in einem Hotel in Wien. Oft auch auf Kosten von Vorlesungen und Prüfungen. Doch anders geht es nicht. Denn Stefans Lebensunterhalt bestreiten nicht etwa seine Eltern, der Staat durch Familienbeihilfe oder Stipendium, sondern er selbst.

Leben im Substandard

600 Euro, plus-minus, verdient Stefan mittlerweile monatlich. Am Anfang seines Studiums waren es weniger. Er wohnt in einer "Wohnung mit Komfort-Abstrichen", sagt Stefan, was so viel heißt wie: Dusche in der Küche, Klo am Gang, das auch andere Hausparteien benützen - typisch Wiener Substandard. Mitte 20, hätte er eigentlich schon am Ende seines Studiums sein können. Doch von Anfang an hieß es, mit Nebenjobs Geld fürs Leben zu verdienen. Zu Semsterbeginn 365 Euro parat zu haben, war bei einem so geringen Einkommen eine mittlere Katastrophe.

Teufelskreis Studium-Beruf

Der Teufelskreis hat es in sich. Arbeiten um zu Studieren. Zeit verlieren. Noch mehr arbeiten.
Stefan ist einer von vielen, besser gesagt, einer von den 60 Prozent der Studierenden, die laut Studierenden Sozialerhebung (Stand 2006) während des Semsters „in irgendeiner Form erwerbstätig" sind. 42 Prozent der Studis arbeiten demnach durchgängig im Semester, 18 Prozent gelegentlich. Ein weiteres Viertel ist nur in den Ferien erwerbstätig und 15 Prozent gehen keiner Erwerbstätigkeit nach. 20 Prozent aller Studierenden gingen bereits vor der Aufnahme des Studiums einer regulären Erwerbstätigkeit nach.

Je älter, umso fixer das Arbeitsverhältnis

Ein Trend ist zumindest feststellbar: Je älter die Studierenden sind, desto eher sind sie in einem fixeren Arbeitsverhältnis, trotz - oder wegen des - Studiums. Je fixer die Arbeit ist (also keine geringfügige Beschäftigung), desto mehr ist die Motivation "Bestreiten des Lebensunterhalts" und nicht etwa nur "sich etwas leisten können".

Privatleben zum Vergessen

81 Prozent der Vollzeitbeschäftigten und 57 Prozent der Teilzeitbeschäftigten meinen, es sei schwierig, Studium und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren. Dies trifft auch auf Studierende an berufsbegleitenden FH-Studiengängen zu: Hier bezeichnen es 58 Prozent als schwierig, Studium und Beruf zu vereinbaren. Das Privatleben kann man dann vergessen. Eine Studie der FH Wien zum Thema "Belastungssituatonen von Studierenden" hat ergeben, dass das Privatleben bei berufsbegleitend Studierenden ein weiterer Belastungsfaktor ist. Nicht, dass es auf der Uni anders wäre, könnte man jetzt sagen. Doch wer auf der FH der "Verpflichtung zum Studienfortschritt" nicht nachkommt, fliegt. Alles unter einen Hut zu kriegen ist Muss.

Kurse am Wochenende

Fachhochschulen, aber auch manche Unis haben auf die Doppelbelastung von arbeitenden Studierenden reagiert. Viele Kurse finden am Abend statt und auch an Wochenenden wird von früh bis spät volles Programm gefahren. Auch E-Learning wird angeboten. "Viele kündigen oder verzichten auf Stunden, um das Studium zu schaffen", sagt Thomas Wallerberger, Bundesvorsitzender der ÖH.

Kein life-long-learning

Eine Möglichkeit für Studierende, die bereits in der Arbeitswelt waren, sich ein Studium zu finanzieren, ist das Selbsterhalter-Stipendium, das man beziehen kann, wenn man mindestens vier Jahre in der Berufswelt war. Das bekommen aber nicht alle zugesprochen. Wallerberger ist verärgert: "Es wird immer life long learning propagiert, aber ab dem dem 35. Lebensjahr hat man keinen Anspruch mehr darauf."

Stefan würde sein Studium nie für den Job aufgeben. "Es ist nur ein Geld-Job", sagt er. Zwei Jahre braucht er noch, um sein Studium zu beenden. Bis dahin wird er noch einige Nächte durchmachen. Nein, nicht feiernd. "In ruhigen Nächten komme ich auch dazu, etwas zu lernen". (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 17.11.2009)