Schmecks, Schnecks: Die feinen Kriechtiere, leider mit dem Iphone, aber auch live optisch nicht so der ästhetische Höhepunkt. Aber schon schöner als hier, zugegeben.

Antica Corona Reale ("da Renzo")
Via Fossano 3
Cervere/Piemont
00390172474132

Drei bis vier Gänge, ordentlich Wein, Wasser, Kaffee: 100 Euro pro Person

Foto: Fidler

Fidlers Hahnenkamm-Abfahrt: die Finanziera.

Foto: Fidler

Der Ochse, nach der Portbehandlung natürlich nicht mehr weiß.

Foto: Fidler

Wenn mich jetzt nicht alles täuscht, war das Hilbergs Ziegenkitz, bei dem er, erfreulich für mich, rasch zu Schwächeln begann.

Foto: Bernhard Peball

Mit Fröschen hatte mich Herr Grabenweger gelockt, doch einmal wenigstens im Piemont abseits des Osteriaführers zu futtern. Der Mann weiß, wie man mich überzeugt. Er konnte nicht ahnen, dass er damit neben meinem Sinn für ausgefranstere Speisen auch gleich meine - jedenfalls kulinarisch inzwischen  ausgeprägte - sentimentale Ader traf.

Frösche beim Ringelreihen

Schon beim ersten Ausflug ins Piemont, anno 2000, zwang ich Herrn Hilberg in ein Lokal, von dem mir der Osteriaführer Quaxi & Co versprach. Die kleinen Amphibien bildeten damals einen Kreis in der Außenkurve meines Tellers, hielten einander anscheinend an den Vorder- öh -flossen, und schmeckten nach kurzem Rätseln, was man von den Viechern alles essen kann, eigentlich sehr gut. Ich Dilettant vermute ja heute stark, jeder Kenner hätte sie im Ganzen in den Mund gesteckt, wie wir das von Singvögeln, nun ja, jedenfalls gehört haben.

Diesmal hätte ich mich fragen getraut, wie essen, aber ich kam nicht in die Verlegenheit: Wer kann auch bei damals tiefwinterlichen Bedingungen Frösche erwarten, frische jedenfalls nicht, höchstens frisch erstarrte. Gut, Schnecken aus Borgo San Dalmazzo gab's, mit Lauch aus Cervere, wie die Karte überhaupt sehr viel sehr genau beschreibt. Beim Essen soll man schon präzise sein. Zum Beispiel beim ebenso sachdienlichen wie beruhigenden Hinweis, dass die Kutteln (vom piemontesischen Kalb) "lavata a mano" sind, was mir (im Infinitiv) bisher bei teureren Pullis geläufig war. Übrigens in umido und begleitet vom schon bekannten Lauch mit Herkunftssiegel. Die Kutteln, klar.

Der Hilberg und die Leber

Aber mir scheint, ich mache mich gerade ein bisschen lustig über - ja, das sollte man im dritten Absatz langsam erwähnen - Antica Corona Reale da Renzo in Cervere. Wäre Herr Grabenweger gerade nicht weit, weit weg (hoffentlich schreibt er was übers Essen), würde er mich jetzt streng ansehen. So mailt er nur aus der Ferne: "essen war aber ganz hervorragend."

Das hätte ich ohnehin nie bestritten. Die Lumache zum Beispiel hab' ich sehr genossen, als sentimentaler Dilettant träumte ich halt sofort wieder von jenen in Isola Dovarese, die sich so harmonisch ans Kalbsherz schmiegten. Herr Hilberg wirkte ausgesprochen glücklich mit - was sonst - seiner Entenstopfleberterrine. Herr Hlavicka wiederum erinnert sich noch heute an "die besten Kutteln seines Lebens", so fein, feinstes Tuch, quasi. Jedenfalls weit feiner als die (offenbar nicht handgewaschenen) Würste in Briaglia und jedenfalls anders fein als die herausragenden Tripe in Cherasco, aber dazu demnächst in diesem Kino.

Abfahrt auf Hahnenkämme

Von der Finanziera kann ich nur Gutes berichten - Schmeck's-Leser erinnern sich: Hahnenkämme, irgendwer muss ja auch die essen, und ich melde mich stets fröhlich freiwillig. Auch wenn mir die Variante im auch nicht ganz osteriaführerkompatiblen Il Centro in Priocca eine Spur feiner in Erinnerung blieb. Wenn wir schon von Michelin-Sternen, Veronelli-Gabeln & dergleichen nobligeren Ess-Erfahrungen im Piemont reden.

Großer Sport auch das Kopfstück vom piemontesischen Ochsen (ja, ich vermute stark, die weißen, von denen Herr Desrues erst unlängst schrieb), lange geschmort in Port, butterzart, cremig, fein. Das Kitz (aus Roccaverano) mit Bergkräutern gebraten, auch kein Fehler. Aber was ist bloß mit Hilberg los? 

Schwächeln nach zwei Gängen?

Der Mann schwächelt nach zwei Gängen beim Hauptgericht. Ich gebe zu, kurz ging's mir nach meinem Ochsen ähnlich. Aber die doch recht ordentlichen Portionen halten bei mir nicht lange vor, und außerdem brauch' ich ja keine Nachspeis' einplanen. Also hab' ich Hilbergs Fasan auch noch verputzt, jedenfalls was er schnaufend übrig ließ, um doch noch Platz für Schokolade zu lassen. Da schnaufte er dann vor Glück. Und Herr Grabenweger schien mit seinen Profiteroles auch ausgesprochen zufrieden.

Das ließ uns vergessen, dass die Servicebrigade uns etwas eigenwillig erschien, und wir ihr offenbar nicht minder, als wir, nicht abgerissen, aber doch zum Großteil in Jeans und Pulli einritten. Und dass ihre Oberin uns partout eine Reihe 98-er ausreden wollte, weil die doch eh nicht mehr so super sind. Vermutlich fürchtete sie, dass ihnen die aufrechte Lagerung derselben zur Dekoration im ziemlich gut geheizten Gastraum nicht sonderlich bekommt. Zugegeben, das war keine artgerechte Haltung. Die Weine, auf die wir bestanden, hatten sie aber doch ganz gut überlebt. 

Fresspauschale

Sie haben vielleicht schon gehört, dass Herr Grabenweger und Herr Hlavicka bei der Weinauswahl in diesen Breiten erfreulich unzimperlich sind. Trotzdem wurde ich bei Vorspeisen zwischen 17 und 22 Euro, bei Primi zwischen 14 und 55 Euro (die Trüffelnummer auf Ei, haben wir nach meiner Erinnerung ausgelassen, oder, Hilberg?) und Secondi zwischen 25 und 30 Euro schon etwas unrund vor unserer Rechnung, und die Weinauswahl entspannte mich auch nicht gerade. Ergebnis: exakt 100 Euro pro Mann. Eigentlich, im Verhältnis jedenfalls, ausgesprochen wohlfeil.