Bettina Vollath will mehr Kulturvermittlung. Denn: "Das Diskutieren über den Tellerrand hinweg findet viel zu wenig statt."

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Graz - Sie liebe, sagt Bettina Vollath, Zwölftonmusik genauso wie Jazz und Klassik. Mit Kulturpolitik aber hatte sie bisher wenig zu tun: Die Juristin, Mutter dreier Kinder, war von 2005 an steirische SP-Landesrätin für Bildung, Jugend, Frauen und Familie. Mitte September baute Landeshauptmann Franz Voves sein Team um. Was zur Folge hatte, dass Bettina Vollath, 1962 in Graz geboren, nun für Gesundheit zuständig ist - und eben die Kultur.

Doch sie hat ziemliches Glück. Denn ihr steht jemand zur Seite, der sich in der Szene auskennt wie kaum ein anderer: Michael Petrowitsch, 1968 in Ratsch an der Weinstraße geboren, war von 2003 an Chef der wiederbelebten IG Kultur Steiermark - und somit schärfster Widersacher von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (VP) beziehungsweise in der Folge von Kulturlandesrat Kurt Flecker (SP).

Vielleicht mag die Weisheit "If you can't beat them, join them" eine Rolle gespielt haben: Flecker bot Petrowitsch an, für ihn zu arbeiten - als Nachfolger von Herbert Nichols. Denn der SP-Kulturfunktionär, seit den Anfangstagen des Steirischen Herbstes eine zentrale Figur im Hintergrund, geht mit Jahresende in Pension. Petrowisch, der das Kulturzentrum Pavelhaus bei Bad Radkersburg programmierte, nahm das Angebot an - weil er sich sagte, dass Veränderungen leichter zu realisieren sind, wenn man Teil des Systems ist. Mit 1. September wechselte er die Seiten.

Und auch er hat Glück. Denn Vollath ist eine Politikerin, die sich etwas sagen lässt. Der Kulturbetrieb darf daher Hoffnungen hegen: Im Gespräch mit dem Standard bekennt sich Vollath zur verstärkten Förderung der freien Szene, der jungen Künstler und speziell der Frauen - im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten, da die Dreijahresverträge bleiben sollen.

"Zudem möchte ich das Potenzial der Regionen besser sichtbar machen", sagt Vollath. Also: Weg von der Graz-Lastigkeit! "Das ist ja auch das, was wir uns vom Bund wünschen: dass nicht alles so Wien-zentriert ist, sondern dass auch die Aktivitäten in den Bundesländern wahrgenommen werden, die sich mehr Aufmerksamkeit des Bundes verdient hätten."

Vollath bekennt sich daher auch zur Regionale, einer Biennale, die von Flecker als Ersatz für die Landesausstellungen initiiert wurde. Die zweite Ausgabe findet 2010 im Bezirk Liezen statt. Dass die Premiere aufgrund zu kurzer Vorbereitungszeit eher missglückt war, ist für Vollath kein Problem: "Die Regionale ist ein lernendes System. 2010 hat Dietmar Seiler, der künstlerische Leiter, freie Hand."

Im Zusammenhang mit der Regionale bringt Vollath das Wort Nachhaltigkeit ein. "Was bedeutet es konkret? Ein paar renovierte Gebäude wie bei den Landesausstellungen: Das kann es doch nicht sein. In Liezen entsteht derzeit ein Netzwerk der Kulturschaffenden, es werden sich daher auch in der Zukunft Synergien ergeben."

Ganz allgemein werde sie großen Wert auf Kulturvermittlung legen, sagt Bettina Vollath. "Kunst und Kultur haben für mich einen wichtigen gesellschaftspolitischen Auftrag. Wenn man sich die Themenstellungen anschaut, die sich die Festivals und Initiativen geben, stellt man fest: Sie kommen diesem Auftrag auch nach. Aber wirklich nachhaltig sind die Aktivitäten erst dann, wenn sie ihre Gedanken auch einer möglichst breiten Gesellschaft vermitteln können."

Warum? "In der heutigen Zeit ist jeder hochspezialisiert unterwegs. Das Diskutieren über den Tellerrand hinweg findet viel zu wenig statt." Themen vorzugeben, wie Flecker aus persönlichem Interesse (Woodstock!), will Vollath nicht: "Es braucht die Vielfalt. Meine Aufgabe ist es, all das, was da ist, bestmöglich zu unterstützen."

Zunächst allerdings gilt es, ein Langzeitprojekt zu realisieren: Um geschätzte 38,2 Millionen Euro wird das Museumsviertel mit Joanneum und Landesbibliothek errichtet. Baubeginn soll im Jänner sein, die Fertigstellung 2012. Und auch für eine Grazer Kunstuniversität will sich Vollath einsetzen. "Unser Wille ist da." Aber leider: "Ohne Bund werden wir da nicht weiterkommen." (Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 10.11.2009)