In der Studentenbewegung gibt es eine Strömung, die aus der Audimax-Besetzung eine allgemeine soziale Rebellion machen möchte: Entsprechende Parolen ("Nichts für Banken und Konzerne" ), Verblendungszustände (das Bild des Massenmörders Che Guevara im Audimax) und der Versuch, eine gewerkschaftliche Linksfront aufzubauen (Solidarität mit dem Arbeitskampf der Druckereiarbeiter, die zu den Bestverdienern nicht nur in der Arbeiterschaft gehören).

Jeder nähere Augenschein ergibt aber, dass die überwältigende Mehrheit der protestierenden Studenten mit diesen Ideologen wenig bis nichts zu tun hat. Sie wollen vernünftige Studienbedingungen und, daraus folgernd, ordentliche Lebenschancen.

Hier geht die "Generation Prekariat" auf die Straße, junge Angehörige der Bildungsschicht, auf die es künftig ankommen wird, bei deren Zukunftsgestaltung aber etwas fundamental falschläuft. Zum Teil durch eigene Schuld (falsche, schlecht informierte Studienwahl), mehrheitlich aber durch Schuld der Politik: Vernachlässigung der Universitäten und der Bildung/Ausbildung insgesamt.

Das haben anfangs sogar Medien wie die Presse erkannt. Der Anblick einiger roter Fahnen löste dort aber bald einen anaphylaktischen Schock aus, und die Presse verfiel wieder in alte Verhaltensmuster, die viele jüngere Redakteure dort überwunden glaubten. Der Chefredakteur belegte Konkurrenten, die Verständnis für die Studenten zeigen, mit Kraftausdrücken. Er wird aus dem Wirbel, in den er sich öfter hineinbrilliert, wieder erwachen und dann sich dann vielleicht an zweckdienlichen Überlegungen beteiligen können, was jetzt zu tun ist.

Die Studenten haben Donnerstagabend noch einmal etwa 8000 Demonstranten auf die Beine gebracht; die Besetzung diverser Hörsäle wird weitergehen und dann eher auslaufen, als in eine allgemeine soziale Erhebung zu münden, wie das einige Betreiber offenbar hoffen. Der scheidende Wissenschaftsminister Hahn will am 25. (!) November ein großes Reformpalaver abhalten, mit dutzenden Teilnehmern, auch von den Hörsaalbesetzern. Das ist eine bewährte Methode, Probleme totzureden.

Das ganze Bildungssystem braucht etwas anderes. Es braucht eine Schwerpunktverlagerung. Die aktuelle Politik gibt Unsummen zur Bildung und Aufrechterhaltung einer Frühpensionisten-Hundigassigehen-Gesellschaft aus; sie muss einen beträchtlichen Teil davon zur Bildung einer Wissensgesellschaft umschichten.

Das geht vielleicht mit Selbsterkenntnis der Politik (allerdings nicht so wie die neue ÖAAB-Sekretärin Beatrix Karl, die Wissenschaftsministerin werden soll und vorrechnet, wie viele Arbeitslose man mit Uni-Geld erhalten könnte).

Eher geht es mit gesellschaftlichem Druck. Die Studenten müssen wohl eine politische Bewegung zur Vertretung ihrer Interessen gründen. Über die Fähigkeit zur Selbstorganisation verfügen sie ja, das haben sie jetzt bewiesen. Es muss keine neue Partei sein, eher eine flexible Interessengruppe.

Oder sie übernehmen die völlig danebenstehenden Grünen und verwandeln sie in einen ernstzunehmenden politischen Faktor. (DER STANDARD-Printausgabe, 7./8. November 2009)