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Sogar zum Spielen in den Parks tragen Kinder in Kiew Schutzmasken. Ob die Grippewelle in der Ukraine tatsächlich eine ernsthafte Bedrohung darstellt, darüber streiten sich die Politiker.

Foto: Reuters/Garanich

Moskau/Rom - In der Ukraine steigt die Zahl der Grippetoten weiter an. Bis Montag gab es durch die Grippewelle 67 Todesopfer, teilte der ukrainische Gesundheitsminister Alexander Turtschinow laut Ria Nowosti mit. 255.000 Menschen seien an Grippe oder Erkältungskrankheiten erkrankt. Gerüchte, wonach auch die Lungenpest ausgebrochen sei, dementierte das Gesundheitsministerium.

Unklar ist weiterhin, wie viele Menschen tatsächlich am Schweinegrippe-Virus H1N1 erkrankt sind. Es gibt keine Schweinegrippe-Epidemie in der Ukraine, sagte Premierministerin Julia Timoschenko. Sie sprach von einer "normalen Grippewelle". Das Gesundheitsministerium verzeichnete 22 Schweinegrippe-Todesfälle.

Timoschenkos Rivale Viktor Juschtschenko schätzt die Lage anders ein. Er sieht die Schweinegrippe als Bedrohung der nationalen Sicherheit und bat Nachbarländer, EU und die Nato um Hilfe.

Ukrainische Abgeordnete kritisierten, dass selbst die Schweinegrippe als Thema im Präsidentschaftswahlkampf missbraucht werde. So wirft Timoschenko laut Interfax dem amtierenden Präsidenten Juschtschenko vor, die Lieferung von künstlichen Beatmungsgeräten verzögert zu haben.

In Kiew behaupten böse Zungen, Timoschenko habe das Virus selbst ausgesetzt. Nach ihrem Wahlkampfauftakt hat die Regierungschefin wegen der Schweinegrippe alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt und die Unterbrechung des Wahlkampfs angekündigt.

Inzwischen ist die internationale Hilfe angelaufen. Die Schweiz hat 16 Tonnen Impfstoff in die Ukraine geflogen. Eine Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird am Montag eintreffen, um sich ein Bild von der Lage zu machen, sagte eine WHO-Sprecherin.

Das österreichische Außenministerium rät von "nicht dringend notwendigen Reisen" in die Ukraine ab. Flugbeschränkungen zwischen Österreich und der Ukraine zur Vermeidung von Ansteckungen sind laut dem Generaldirektor für öffentliche Gesundheit, Hubert Hrabcik, nicht geplant.

Auch in Italien sind nach dem Tod einer zwölfjährigen Schweinegrippe-Patientin in Pompeij viele Menschen verunsichert. In der Stadt wurden die Schulen geschlossen. Kampanien verzeichnet die Hälfte von bisher zwölf Todesfällen in Italien. Auch in anderen Regionen schicken viele Eltern ihre Kinder aus Furcht vor Ansteckung nicht mehr zur Schule. Gesundheitsminister Fazio hat vor Panik gewarnt und an die Bevölkerung appelliert, nicht die Erste-Hilfe-Stationen der Spitäler lahmzulegen, wo die Zahl der Patienten um 80 Prozent zugenommen hat.

Seit Ausbruch der Schweinegrippe Ende April in Mexiko sind in Europa 318 Menschen im Zuge einer Infektion gestorben. Weltweit gab es im selben Zeitraum 6153 Tote im Zusammenhang mit dem H1N1-Virus. (mu, ved/DER STANDARD-Printausgabe, 3.11.2009)