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Detroit - General Motors will Opel nun doch behalten. Der Verwaltungsrat des US-Mutterkonzerns entschied sich am Dienstag gegen den Verkauf des deutschen Tochterunternehmens an Magna. Die Verbesserung des Geschäftsumfeldes und die Bedeutung von Opel seien für die Entscheidung ausschlaggebend gewesen, teilte GM mit. Konzernchef Fritz Henderson kündigte an, in Kürze einen Restrukturierungsplan für Opel vorzulegen. In Berlin wurde die Entscheidung bedauert. Auch bei den Opel-Arbeitern stieß der Plan auf Kritik. Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz sieht dadurch die Opel-Werke in Bochum, Kaiserslautern und Antwerpen "akut gefährdet".

Die Kosten für die Sanierung bezifferte GM-Chef Fritz Henderson nach vorläufigen Schätzungen auf drei Milliarden Euro. "Das ist deutlich weniger als alle Investoren-Angebote". Im September hatte das GM-Gremium noch den Verkauf von 55 Prozent der Opel-Anteile an den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna und dessen russischen Partner Sberbank empfohlen. Die EU-Kommission hatte Bedenken angemeldet und GM aufgefordert, die Entscheidung zu überdenken. Magna hatte 4,5 Milliarden Euro Staatshilfen angestrebt.

Zugleich entschuldigte sich Henderson für die monatelange Hängepartie. "Wir verstehen, dass die Komplexität und die Länge der Angelegenheit für alle Beteiligten anstrengend war." Aber mit dieser Entscheidung habe GM die beste Lösung für seine Kunden, Mitarbeiter, Zulieferer und Händler erreicht. Dies sei die stabilste und kostengünstigste Lösung, um die Zukunft von Opel und der Schwestermarke Vauxhall langfristig zu sichern. Noch vor zwei Wochen hatte Henderson einen Verkauf von Opel als die wahrscheinlichste Lösung bezeichnet.

Niederlage für Merkel

Die deutsche Bundesregierung erwarte nun, dass GM "den Konzern Opel in seiner Leistungsfähigkeit stärkt" und "die erforderlichen Anpassungen auf ein unverzichtbares Mindestmaß begrenzt", erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in der Nacht zum Mittwoch. Außerdem müsse der US-Konzern die Brückenfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro fristgerecht zurückzahlen. Das Thema Opel wurde für Mittwoch auf die Tagesordnung des Kabinetts gesetzt.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt die Kehrtwende bei GM - kurz nachdem sie die seltene Ehre erfahren hatte, vor beiden Häusern des US-Kongresses zu reden - einer Niederlage gleich. Sie hatte sich persönlich für Magna stark gemacht. Auch mit US-Präsident Barack Obama hatte sie gesprochen. GM war nur durch Staatshilfen gerettet worden, die US-Regierung verfügt bei dem Konzern über entscheidenden Einfluss. Die US-Regierung erklärte jedoch, sie sei bei der Entscheidung nicht beteiligt gewesen.

Kritik aus Hessen

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch übte scharfe Kritik. "Ich bin sehr betroffen und zugleich verärgert, dass die monatelangen Bemühungen, für Opel Europa eine möglichst gute Lösung zu finden, an GM gescheitert sind", erklärte Koch. Er mache sich große Sorgen um die Zukunft des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze.

Die Opel-Treuhand, die 65 Prozent von Opel verwaltet, reagierte zurückhaltend. Der Beirat nehme diese Entscheidung zur Kenntnis. "Ich hoffe, auch im Interesse der Beschäftigten bei Opel, dass dieser Beschluss Opel zu neuer wirtschaftlicher Stabilität verhilft", erklärte der Vorsitzende des Beirats, Fred Irwin. Die Opelaner selbst wollen zunächst alle Zusagen über Einsparungen zurückziehen und über das weitere Vorgehen beraten. Erst kurz vor der überraschenden Entscheidung bei GM hatte der Opel-Betriebsrat den Weg freigemacht für einen Verkauf des deutschen Autobauers an Magna.

Die Arbeitnehmervertreter hatten sich von Beginn an für eine Trennung Opels von GM eingesetzt. Der Opel-Betriebsrat forderte nun erneut den Erhalt der deutschen Standorte. "Ohne Opel hat GM keine Zukunft in Europa. Ich gehe davon aus, dass sie auch die Werke brauchen", sagte der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel der "Neue Ruhr/Neue Rhein-Zeitung" vom Mittwoch. Auch der im Frühjahr von GM vorgelegte zweite Rettungsplan sehe einen Erhalt der vier Fabriken vor. Einenkel drängte auf schnelle Entscheidungen. Die Hängepartie sei für die Mitarbeiter unerträglich. Der Finanzierungsrahmen der deutschen Regierung stehe nur bis Ende November. Am Mittwoch soll die GM-Entscheidung Thema der Betriebsrätekonferenz sein.

Magna hat Verständnis

Magna-Vorstandschef Siegfried Wolf äußerte Verständnis für die GM-Entscheidung. "Wir verstehen, dass der Verwaltungsrat zu dem Schluss gekommen ist, dass es im besten Interesse von GM ist, Opel zu behalten", erklärte er. Die deutsche Tochter spiele eine wichtige Rolle in der weltweiten Organisation des Konzerns.

In den vergangenen Wochen waren bei wichtigen Akteuren Zweifel aufgekommen, ob GM Opel immer noch verkaufen oder vielleicht doch in Eigenregie sanieren will. Ins Feld führten Skeptiker, dass GM für einen Neustart die moderne Opel-Technologie und den Zugang zum europäischen Markt brauche.

Kritik aus Österreich

Ernüchterung macht sich auch in der österreichischen Regierung breit. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat am Mittwoch kritisiert, dass durch die nun gescheiterten Verhandlungen mit Magna ein Jahr wertvolle Zeit verloren wurde. Er erwarte jetzt "die rasche Vorlage eines tragfähigen Zukunftskonzepts für Opel Europa" und "die Beendigung des Pokerspiels um Finanzierungsmittel der beteiligten Standorte."

"Ohne rasche Vorbereitung eines neuen Konzepts durch General Motors könnte es große Probleme für mehrere Standorte in Europa geben", befürchtet Mitterlehner. Der Minister geht nicht davon aus, dass die überraschende Wendung negative Folgen für den Opel-Standort Aspern hat - das Opelwerk habe "hohe Fertigungsqualität" und "Entwicklungskompetenz".

Mitterlehner bekräftigte allerdings, dass auch GM als künftigem Eigentümer der Zugang zu österreichischen Garantieinstrumenten prinzipiell offen stehe: "Eventuelle Haftungen müssen im Einklang mit dem Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz (ULSG) stehen." (APA/Reuters)