Die Wiener Wohndrehscheibe hilft einkommensschwachen Familien, Asylberechtigten, Haftentlassenen, Obdachlosen und Pensionisten am privaten Wohnungsmarkt eine leistbare Wohnung zu finden: Im vergangenen Jahr konnte sie rund 400 Wohnungen vermitteln.

Foto: Christian Fischer/Der Standard

15 Jahre hatte es gedauert, bis Herr Z. seine Frau und seine vier Kinder aus Mazedonien nach Wien holen konnte. Da waren sie nun - eine sechsköpfige Familie in einer 35 m2 großen Wohnung. Der Streit ließ nicht lange auf sich warten: innerhalb der Familie, mit den Nachbarn und schließlich mit dem Vermieter, der wegen "nachteiligem Gebrauch des Mietobjektes" mit der Kündigung drohte. Was tun? Herr Z., als LKW-Fahrer ständig unterwegs, hatte keine Zeit um sich auf die Suche nach einer neuen Bleibe zu machen. Seiner Frau wiederum mangelte es zwar nicht an Zeit, aber sie sprach kaum ein Wort Deutsch, um sich auf dem Wiener Wohnmarkt zurechtzufinden.

Probleme, mit denen die Mitarbeiter des Projekts "Wohndrehscheibe" täglich mehrmals konfrontiert sind: "Einkommensschwache Familien, meistens mit Migrationshintergrund, Asylberechtigte, aber auch Haftentlassene, Obdachlose und Pensionisten - sie alle haben es sehr schwer am privaten Wohnungsmarkt eine leistbare Wohnung zu finden", sagt Philippa Tscherkassky, Leiterin der Wohndrehscheibe, einer Beratungsstelle der Volkshilfe Österreich, die einkommensschwache Menschen und Randgruppen bei der Wohnungssuche unterstützt. Ins Leben gerufen wurde das Projekt 1997, um bosnischen Flüchtlingen zu helfen, in Wien eine Unterkunft zu finden. Schnell zeigte sich, dass sich das Angebot nicht auf Kriegsflüchtlinge reduzieren ließ.

Vom Lehrling bis zum Pensionist

Etwa 5.000 Beratungsgespräche führt Philippa Tscherkasskys fünfköpfiges Team jährlich. "Da ist alles dabei: Vom 16-jährigen Lehrling, bis zum 80-jährigen Pensionisten", sagt Mirza Biscic, seit fünf Jahren Mitarbeiter der Wohndrehscheibe. Etwa zehn Prozent der Kunden seien anerkannte Flüchtlinge, 60 Prozent Migranten und 30 Prozent Österreicher. "Es sind sehr unterschiedliche Schicksale, aber die Hauptprobleme sind neben fehlender finanzieller Mittel, auch mangelnde Deutschkenntnisse und Rassismus von Seiten der Vermieter. Das betrifft vor allem unsere schwarzafrikanischen Kunden, die nur aufgrund ihrer Hautfarbe abgelehnt werden." Viel mehr als eine Meldung bei der Anti-Rassismus-Initiative ZARA sei dem aber nicht entgegenzuhalten.
Besonders schwer hätten es auch Migrantinnen, die nach einer Trennung oder Scheidung plötzlich auf sich gestellt seien: Oft verstehen sie und sprechen sie kaum Deutsch und verfügen nur begrenzt über Eigenmittel. "Das sind sehr schwierige Fälle", sagt Biscic. Auch für Obdachlose eine Bleibe zu finden, sei alles andere als einfach: "Ohne Job hat man keine Aussicht auf eine Wohnung und ohne fixer Wohnadresse bekommt man keinen Job", sagt Biscic. Hier seien  Überredungskünste gefragt, um Makler und Vermieter zu erweichen.

"Hilfe zur Selbsthilfe"

Als "Hilfe zur Selbsthilfe" will Philippa Tscherkassky die Wohndrehscheibe verstanden wissen: Im Erstgespräch erfolgt eine Anamnese. Es wird erhoben, was der Kunde einbringen kann, was er braucht und was ihm fehlt. „Wir beraten hinsichtlich Finanzierungsmöglichkeiten, also wo, welche Unterstützungen und Beihilfen beantragt werden können", sagt Tscherkassky. Zwei der Mitarbeiterinnen sind Juristinnen, zwei Sozialarbeiterinnen. Beraten wird in Deutsch, Englisch, Russisch, Italienisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch und Mazedonisch. "Die meisten machen sich nach der Beratung selbst auf Wohnungssuche", erzählt Tscherkassky.

Im Hinterzimmer des ebenerdigen Geschäftslokals im zweiten Wiener Gemeindebezirk, in dem die Wohndrehscheibe eingemietet ist, sind die Wände mit weißen Zetteln bespickt: billige Garçonnièren, Zwei-Zimmer-Wohnungen, wenige sind größer. An einer schmalen Wand hängt ein Zettel, auf dem "Ohne Provision" geschrieben steht. Das Angebot, das darunter hängt, nimmt sich bescheiden aus. "Zwar schicken uns Makler, die uns kennen, immer wieder Angebote, aber im Großen und Ganzen können wir auch nur aus dem gegenwärtigen Wohnungsangebot schöpfen", sagt Tscherkassky.

Den Kunden der Wohndrehscheibe stehen Internet und Telefon kostenlos zur Verfügung. Migranten begleiten die Mitarbeiter der Wohndrehscheibe auf Wunsch zu Besichtigungsterminen, überprüfen Mietverträge, helfen beim Stellen von Anträgen für diverse Beihilfen. Durchschnittlich zwei Monate dauert es, bis eine passende Wohnung gefunden ist. Das käme aber immer auf den Kunden an, sagt Philippa Tscherkassky, „schließlich muss er aktiv suchen. Wir können dabei nur helfen." (02.11.2009, bock, derStandard.at)