Die Studierenden nahmen das Abdrehen der Heizung und des Warmwassers mit Humor und nutzten den Brunnen vor dem besetzten Hörsaal C1 am Campus der Uni Wien für ein Bad bei zwei Grad über Null.

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"Free Uni"-Transparent auf der Festung Hohensalzburg.

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Am 12. Tag der Audimax-Besetzung und am 14. Tag, nachdem Studierende und Lehrende die Akademie der bildenden Künste besetzt haben, herrscht an Österreichs Universitäten weiterhin eine Ausnahmesituation. Derzeit sind die beiden größten Hörsäle an der Uni Wien besetzt – das Audimax und der Hörsaal C1 am Campus im Alten AKH – , in Beschlag genommen wurden auch Räume an der Akademie der Bildenden Künste und den Technischen Unis (TU) in Wien und Graz sowie an den Unis Graz, Salzburg, Linz, Innsbruck, Klagenfurt und der Uni für Bodenkultur. Der Montag war geprägt von politischen Auseinandersetzungen rund um die Proteste: Kanzler Werner Faymann kann sich nun eine Diskussion über neue Zugangsbeschränkungen vorstellen, Wissenschaftsminister ist bereit für eine Aufeinandertreffen mit eine Delegation der Audimax-Besetzer und Finanzminister Pröll rügt die Studierenden ob ihres "Aktionismus".

Die Audimax-Besetzer planen ab morgen, Dienstag, "Guerilla-Aktionen", bei denen sie unter den Lehrenden wie unter der übrigen Bevölkerung für ihre Anliegen werben wollen. Für Donnerstag sind landesweite Bildungsproteste von SchülerInnen wie StudentInnen angekündigt. Die Universität Wien rechnet auch in den nächsten Tagen mit einer andauernden Besetzung des Audimax. Die Vorlesungen von Dienstag und Mittwoch finden im Austria Center statt. derStandard.at wird auch an Tag 13 der Audi-Max-Besetzung von den Protesten an Österreichs Universitäten berichten.

UPDATE 22:30: Die Vorlesungen, die morgen im besetzten Hörsaal C1 am Campus der Uni Wien stattfinden sollten, werden in der Halle A der Messe Wien abgehalten.

UPDATE 15:45: Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Wolfgang Moitzi, kritisiert Faymanns mangelnde Glaubwürdigkeit: "Eine Solidaritätserklärung mit den Studierenden abzugeben und wenige Tage später Zugangsbeschränkungen zu verteidigen, zeugt nicht von besonderer Glaubwürdigkeit", so Moitzi. Moitzi habe kein Verständnis dafür, dass der Kanzler die Studierenden bei einer der zentralsten Forderungen vor den Kopf stößt.

UPDATE 14:40: Auch das ÖH-Vorsitzendenteam zeigt sich wenig begeistert von Faymanns Aussage: "Faymann hat anscheinend gar nichts aus den Protesten der vergangenen Tage gelernt", so ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer in einer Aussendung. Österreich habe zu wenig Studierende, nicht zu viele. Nachdem tausende Studierende letzte Woche demonstriert haben, sei es "purer Zynismus" von Zugangsbeschränkungen zu sprechen, so Thomas Wallerberger vom ÖH-Vorsitzteam.

UPDATE 14:20: Die Reaktionen auf Faymanns Aussage haben nicht lange auf sich warten lassen: Wissenschaftsminister Hahn zeigt sich in einer Aussendung erfreut. Die Aussage Faymanns, über neue oder auch etwaige Änderungen von bestehenden Zugangsregelungen zu sprechen, zeige, dass es der Regierung endlich gelingt, "eine faktenbasierte Debatte über die Aufgaben und Möglichkeiten der heimischen Universitäten und Hochschulen zu führen". "Schockiert" zeigt sich hingegen der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ): Faymann spreche gleichzeit vom freien Zugang zu Bildung und stelle "im selben Atemzug Zugangsbeschränkungen als unvermeidbar" dar. Er brauche sich "über Glaubwürdigkeitsprobleme nicht zu wundern“, stellt deren Bundesvorsitzende Sophie Wollner in einer Aussendung fest.

UPDATE 14:10: Die Uni Wien scheint nicht mit einer baldigen Räumung ihres größten Hörsaals, des Audimax, zu rechnen. Zumindest noch Dienstag und Mittwoch werden im Audimax geplante Lehrveranstaltungen wieder im Austria Center in Wien-Donaustadt abgehalten. Noch unklar ist, wie mit der Besetzung des C1, des größten Hörsaals am Campus im Alten AKH, umgegangen wird. Das Rektorat hofft darauf, dass die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) die Besetzer ehestmöglich zu einer Räumung überreden kann. Die Studentenvertreter haben dem Rektorat zugesagt, das Anliegen im Plenum vorzutragen. Allerdings werde man diesen Wunsch nur weiterleiten und nicht versuchen, auf die Besetzer einzuwirken, betonte Flora Eder (GRAS) gegenüber der APA. Im Rektorat hofft man indes, dass der Appell der ÖH fruchten wird. "Wir gehen davon aus, dass das funktioniert", so eine Sprecherin des Rektorats. Bleibe auch der zweitgrößte Hörsaal der Uni besetzt, wären die zusätzlichen Kosten enorm, warnte sie.

UPDATE 13:50: Im Rahmen der österreichweiten Studentenproteste haben Studierende in Salzburg am Montag eine spektakuläre Aktion gesetzt: Sie enthüllten zu Mittag auf der Festung Hohensalzburg ein 175 Quadratmeter großes Transparent mit dem Schriftzug "Free Uni", das noch den ganzen Tag über hängen bleiben soll, wie Kay-Michael Dankl, ein Sprecher der Plattform "Uni-brennt", der APA sagte. In der Mitte des Plakats befindet sich ein Symbol, das an einen griechischen Tempel erinnern soll. "Das Fundament, die Säulen und das Dach sollen die Ideale der Bildung darstellen", erläuterte der Sprecher, der die Festungsverwaltung lobte, weil sie sich bei der Durchführung der Aktion ausgesprochen kooperativ gezeigt habe.

UPDATE 13:10: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) denkt über Zugangsregelungen nach. Er möchte dabei sowohl über neue als auch über etwaige Änderungen von bestehenden Zugangsregelungen (wie etwa Aufnahmetests) sprechen. Die Einführung von Studiengebühren lehnte er erneut dezidiert ab. Das Thema Bildung steht offenbar ganz oben auf der Themenliste Faymanns. Er möchte noch heute mit Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) darüber sprechen und die Unis auch am Dienstag im Ministerrat thematisieren. Ins Audimax will Faymann nicht kommen. Faymann erklärte sich zwar solidarisch mit den Protestierenden, er sei aber gegen Besetzungen. In der Sache selbst sieht er eine "Art von Zugangsregelungen" als notwendig an. Er sei zwar dafür, mehr Studienplätze zu schaffen, aber selbst das würde ohne Regelungen angesichts des Andrangs, etwa aus Deutschland, nicht reichen.

UPDATE 12:55: Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) lehnt es weiterhin ab, im besetzen Audimax der Universität Wien mit den protestierenden Studenten zusammenzutreffen. Der Minister will aber "diese autonomen Gruppen" einladen, Delegierte für den von ihm geplanten Hochschul-Dialog zu nominieren. Nach der in der Vorwoche von ihm gewährten Finanzspritze für die Unis in Höhe von 34 Mio. Euro sieht Hahn nun "auch die Rektoren in ihrer Eigenschaft als hauptverantwortliche Manager von Großbetrieben gefordert".

Verständnis für den studentischen "Unmut, der sich vor allem in überlaufenen Fächern zeigt", äußerte der Vorsitzende des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Knut Consemüller, bei der Pressekonferenz. Die österreichischen Hochschulen würden "noch viel mehr Geld" benötigen. Der RFT-Chef bedauert allerdings, dass die legitimierten Organe wie die Hochschülerschaft (ÖH) eine untergeordnete Rolle spielen und "einige Kräfte, die offensichtlich eine andere Demokratie wollen, sich dieser Proteste bemächtigen" würden.

UPDATE 12:30: Auch in Deutschland wird es am Donnerstag dezentrale Protestaktionen geben. Die Organisatoren des "Bildungsstreik" rufen im Hinblick auf die Proteste in Österreich zu einem "Warm-Up-Day" zu der von 9. bis 20. November stattfindenden Aktionswoche "Global Week of Action – Education is not for sale" auf. Neben der "Solidarisierung" mit internationale Protesten, steht an diesem Tag die Mobilisierung für die Aktionswoche im Mittelpunkt.

UPDATE 12:00: Eine Rüge für die protestierenden Studenten setzte es am Montag von Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP). Er halte nichts von "Aktionismus und Blockade". Nur zu protestieren und andere am Studieren zu hindern sei falsch, so Pröll am Rande der Angelobung von Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP). Es sei klar, dass man das Gespräch suchen wolle. Man müsse aber auch jene im Auge behalten, die studieren wollen und durch die Proteste davon abgehalten werden, so Pröll.

UPDATE 11:55: Nähere Informationen zum Aktionstag am Donnerstag. Um 11 Uhr soll es einen Schülerstreik geben und den ganzen Tag über kleinere "dezentrale Aktionen". Einer der Organisatoren wird in der APA zitiert: "Wir müssen eine Verbindung erzeugen zu anderen Institutionen mit denselben Problemen. Das ist kein Uni-Streik, sondern ein Bildungsstreik!"

Ab Dienstag sollen "Guerilla-Aktionen" stattfinden, bei denen unter Lehrenden wie unter der übrigen Bevölkerung für die Anliegen der Studierenden geworben wird. So könnten etwa Kleinstgruppen mit Transparenten bei roter Ampel über den Zebrastreifen marschieren oder sich in die Anlagen für die U-Bahnansagen einhacken und für eigene Ansprachen nutzen, heißt es gegenüber der APA.

UPDATE 11:40: Geht es nach der "Kronen Zeitung" so besprayen "vermummte Demonstrierer" die Wände der Universität Wien. Was auf dem abgebildeten Foto so aussieht, ist bei genauerer Betrachtung und Ortskenntnis eine schnöde Holzplatte, die an eine Absperrung gelegt ist. Die "Vermummung" ist im Übrigen lediglich ein Schutz vor den Dämpfen aus der Spraydose.

UPDATE 11:20: Auch in Linz wird am Donnerstag demonstriert. Um 16:30 Uhr startet die Demonstration im Volksgarten. Der Hörsaal 1 der Johannes-Kepler-Universität in Linz ist seit sechs Tagen besetzt.

UPDATE 11:10: An der Uni Graz findet heute nachmittag um 16 Uhr eine "Trauerfeier im Gedenken an den freien Hochschulzugang, die qualitativ hochwertige Bildung und die Freiheit von Forschung und Lehre" statt. Die Studierenden wollen vor dem Hauptgebäude zu der "Trauerfeier" zusammenkommen und bitten um Kerzenspenden.

UPDATE 11:00: Laut einer aktuellen Studie des Klagenfurter Humaninstituts kann eine Mehrheit der Österreich den Protest der Studierenden nachvollziehen. 42 Prozent der Befragten (850 Personen) sehen die Proteste als "berechtigt" an, 28 Prozent lehnt diese ab. Für 40 Prozent ist die Forderung "Bildung statt Ausbildung" nachvollziehbar, für 29 Prozent nicht. Nur 22 Prozent der Befragten glauben, dass Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen "optimale berufliche Zukunftschancen" haben, 61 Prozent sehen das nicht so.

Zusätzlich wurden 75 Vertreter von Wirtschaft, Hochschulprofessoren, Journalisten und Politiker in Experteninterviews befragt: Dabei gaben 91 Prozent an, dass Bildung den Studenten aufgrund von Zukunftsängsten ein starkes Bedürfnis sei. 89 Prozente glauben, dass die "Mobilisierung über soziale Netzwerke" die Meinungsbildung möglich macht, und für 84 Prozent ist der "generelle Unmut" Grund für den Kampf für neue Bildungsziele.

Auch an diesem Montag gehen die Uniproteste an Österreichs Universitäten weiter. Das Audimax der Uni Wien ist den zwölften Tag in Folge besetzt, auf der Akademie der bildenden Künste halten die Besetzer seit 14 Tagen durch. In der letzten Woche haben sich zahlreiche weitere Universitätsstädte den Protesten angeschlossen. Derzeit sind Hörsäle an den Universitäten in Wien, Linz, Graz, Innsbruck und an den Technischen Universitäten in Wien und Graz besetzt.

"Österreichweiter Aktionstag" am Donnerstag

Am Donnerstag rufen die Studierenden zu einem "österreichweiten Aktionstag" auf. Dabei sollen auch SchülerInnen und ArbeitnehmerInnen eingeladen werden, sich an den Protestaktionen zu beteiligen. Um 17 Uhr soll am Urban-Loritz-Platz eine große Kundgebung stattfinden.

Lehrveranstaltungen werden verschoben

Wurden die Lehrveranstaltungen, die Aufgrund der Audimax-Besetzung nicht stattfinden konnten, letzte Woche im Austria Center und im AKH nachgeholt, wird das Rektorat heute darüber informieren wie der Vorlesungsbetrieb in dieser Woche von statten gehen wird. Am Wochenende hat Rektor Georg Winckler ein "gewisses Verständnis" für die Proteste der Studierenden gezeigt. Dennoch hat man den Studierenden im Hörsaal C1 am Campus der Uni Wien die Heizung und das Warmwasser abgedreht. Die Studierenden nahmen es mit Humor und nahmen bei zwei Grad ein Bad im Brunnen vor dem besetzten Hörsaal.

"Should I stay or should I go"

Am Wochenende stand das Audimax ganz im Zeichen von Voträgen und kulturellen Veranstaltungen. Am Sonntag schaute die US-amerikanische Punk-Band Anti-Flag vorbei und forderten die Studierenden mit "Should I stay or should I go" auf zu bleiben (siehe Video).

Film und Vorträge am Programm

Heute nachmittag wird im Audimax unter anderem um 15 Uhr in Anwesenheit der Regisseurin Tina Leisch der Film "Gangster Girls" gezeigt. Christian Felber von attac spricht um 16 Uhr zu dem Thema "Woher das Geld für die Bildung nehmen?" im Freihaus der TU Wien. Für 21 Uhr ist im Hörsaal C1 – das die Besetzer mittlerweile ihr "Wohnzimmer" nennen – am Campus der Universität Wien die Aufführung der von den Studierenden gedrehten "Besetzungsdoku" geplant.

derStandard.at wird auch am Montag laufend von den Ereignissen an Österreichs Universitäten berichten.

Was bisher geschah: Tag 12 der Uni-Besetzung als Nachlese

(seb, APA, derStandard.at, 2. November 2009)