Linz - Diesmal ist Gunnar Prokop, Österreichs Frauen-Handball-Zampano und Mr. Hypo Niederösterreich, mit seiner Erfolgsbesessenheit im wahrsten Sinne des Wortes einen Schritt zu weit gegangen. Prokops absichtlicher Bodycheck am Donnerstagabend in der Champions League gegen Metz-Spielerin Svetlana Ognjenovic war eine in der Handball-Gemeinde bis dato beispiellose Unsportlichkeit - und noch dazu brandgefährlich.

Die Reaktionen sind eindeutig, die Strafe gegen den 69-Jährigen, die nach oben offen ist, wird von einer dreiköpfigen Kommission spätestens bis 8. November (nächstes Hypo-Match in Laibach) bekanntgegeben. Auch Prokops Landsleute Gerhard Hofbauer, Präsident des Österreichischen Handballbunds (ÖHB), und Michael Wiederer, Generalsekretär des Europäischen Handballverbands (EHF), fanden am Rande des Männer-Vier-Nationen-Turniers in Linz noch vor der Urteilsverkündung deutliche Worte.

Auch wenn die Bilder durch die Handball-Welt gehen, positive Werbung für den Sport sind sie nur zweieinhalb Monate vor der Heim-EM der Männer ganz sicher nicht. "Handball ist ein Kampfsport, ein rassiger Sport. Wir distanzieren uns aber von jeglicher Form der Unfairness. Wir wollen mit legalen Mitteln gewinnen. Wir wollen nicht Resultate erzielen, die fragwürdig zustande kommen", erklärte ÖHB-Boss Hofbauer.

EHF-Generalsekretär Wiederer stellte klar, dass es bei der Bewertung des Zwischenfalls ("Ein Präzedenzfall, niemand kann sich an etwas ähnliches erinnern") ganz sicher keine Freunderlwirtschaft durch die in Wien beheimatete EHF geben werde. "Die EHF wird die Sache so behandeln, als ob es ein Däne oder Russe wäre", betonte Wiederer. Prokops Verhalten würde dem Verhaltenskodex im Handball völlig widersprechen. Die EHF habe deshalb "keinerlei Verständnis für solch ein Verhalten".

"Es wurden ganz bewusst Regeln erlassen, die sportliche Grundfairness voraussetzen. Und in dieser sportlichen Grundfairness ist enthalten, dass sich ein Betreuer nicht ins Spiel einmischt", erklärte Wiederer, der nicht zuletzt aufgrund der Einmaligkeit der Vorfälle keine Spekulationen über die Art und Höhe der Strafe machen will. Für Abschreckung muss aber wohl gesorgt werden, ansonsten wäre ähnlichen Platzstürmen von Trainern in allen Handball-Altersklassen und -Ligen bzw. vielleicht sogar in anderen Sportarten Tür und Tor geöffnet.

Der Ball liegt nun beim "EHF Arbitration Tribunal", also beim Schiedsrichtertribunal der EHF. Rui Coelho, der portugiesische Chef dieser Gemeinschaft, wurde damit beauftragt, aus einem Pool von neun Leuten ein dreiköpfiges - wohl deutschsprachiges - Gremium zu bestimmen, das nach Bewertung aller vorliegender Fakten ein Urteil fällen wird. Laut Wiederer wird dies recht rasch passieren, nämlich in den kommenden Tagen und auf jeden Fall noch vor dem nächsten Champions-League-Match von Hypo in Laibach. Danach kann Hypo noch Einspruch gegen die Entscheidung einlegen.

Die Beweislage ist klar. Die TV-Bilder sprechen eine deutliche Sprache, noch dazu hat Prokop direkt nach Schlusspfiff in Interviews zugegeben, dass sein Foul eine taktische Maßnahme gewesen sei, also vollauf absichtlich passiert ist. Wie gefährlich ein Zusammenprall im Handball bei Tempogegenstößen ist, weiß natürlich auch Prokop. Besonders tragisch hatte ein derartiger Zwischenfall - allerdings zwischen zwei Spielern - am 30. März 1979 geendet, als der Deutsche Joachim Deckarm nach einem Zusammenprall mit dem Ungarn Lajos Panovics 131 Tage mit schwersten Kopfverletzungen im Koma gelegen war. Deckarm ist seit seinem Aufwachen ein Pflegefall.

Abgesehen von der EHF-Strafe lässt sich auch der ÖHB weitere Schritte offen. "Wir warten einmal ab, welche Entscheidung in den zuständigen Gremien getroffen wird. Dann werden wir sehen, was wir im Hinblick auf Fairness in unserem Sport noch für Maßnahmen setzen", meinte Hofbauer. (APA)