Das kann man in keinem Selbstverteidigungskurs lernen: Allein durch Sprache hält sich die Frau in Bernd Jescheks Gute Nacht Okapi den Gewalttäter vom Leib. Der Mann mit dem Messer wird von seinem angehenden Opfer furios zugetextet. Eine Vokabel wie "zutexten" käme der Dame allerdings eher nicht über die Lippen.

In ihrem Wortschatz, den sie gegenüber ihren (allesamt unsichtbaren) Zufallsbegegnungen lustvoll und beharrlich auffächert, tummeln sich "a priori" und "ad notam" , " Apperception" und "Aperçu" . "Distanziert" spricht sie nasal als "distanciert" aus, am Alko-Weihnachtsmann entrüstet sie sein "Odeur" . Dazu passt die Ausstattung (Julia Eisenburger). Hütchen, Pelzstola und Handschuhe geben Brigitte Karner im tiefroten Mantelkeid die Möglichkeit, die merkwürdige Dame auch gestisch mit Leben zu füllen. Bühnenmensch Bernd Jeschek, der seinen Monolog inszeniert, lässt die Schauspielerin in einem Spalt im Vorhang glänzen. Dort zieht Karner alle Register, legt die Lady einmal verhuscht, einmal regelrecht patent an, schmiegt sich mädchenhaft kokett ins tote Raubtier, um dann schnaubend Fußtritte in die Luft zu platzieren.

Manche Begegnungen dieser reifen Alice im Wunderland könnten ganz alltäglich sein. Aber auch einortsunkundiger Fußgänger oder ein unterschriftkeilender Tierschützer birgt ungeahnte Möglichkeiten. Zuletzt lässt die namenlose Frau alle Zusammenstöße im Schnelldurchlauf Revue passieren. Spätestens jetzt wird klar, dass diese tragikomische Figur nicht nur Temperament und Stil hat, sondern auch eine Extraportion Fantasie. (pen, DER STANDARD/Printausgabe, 31.10/01.11.2009)