Virtualisierung ist ein Thema, das in den letzten Jahren vor allem den Server-Bereich anständig durcheinander gewirbelt hat. Sind die Vorteile einer solchen Lösung doch gerade hier unübersehbar: Virtuelle Maschinen lassen sich nach Bedarf zu- und abschalten, mehrere davon auf einem physischen Rechner betreiben und so die Auslastung der Server verbessern, ganze Systeme im laufenden Betrieb von einem Computer zum anderen verschieben. Nur ein paar der Vorteile, die in letzter Konsequenz zu gesenkten Kosten, einem niedrigeren Stromverbrauch und einer höheren Verfügbarkeit  der eigenen Angebote führen.

Desktop

Doch Virtualisierung ist bei weitem nicht nur für den Server-Einsatz interessant, so wurzeln etwa alle Angebote des aktuellen Marktführers in diesem Bereich - VMware - in einem Desktop-Produkt: Der VMware Workstation. Bereits 1999 erstmals erschienen lassen sich damit andere Betriebssysteme innerhalb der eigenen Rechnerumgebung betreiben - ein perfektes Umfeld um mit neuen Betriebssystem oder Softwarelösungen gefahrlos zu experimentieren. In den letzten Jahren ist dann mit VMware Fusion ein speziell auf den Mac-Markt zugeschnittenes Produkt hinzugekommen, das vor allem Windows-UmsteigerInnen beim Parallel-Betrieb der beiden Systeme helfen soll.

Alles neu

Von beiden Produkten sind nun neue Major Releases erschienen, sowohl die VMware Workstation 7 als auch VMware Fusion 3 versprechen dabei zentrale Verbesserungen. Was es konkret an Neuem gibt, und wie man sich damit im Vergleich zur Konkurrenz schlägt, soll auf den folgenden Seiten etwas näher beleuchtet werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Vorab etwas zur Verfügbarkeit der beiden Softwarepakete: Während Fusion ausschließlich für Mac OS X erhältlich ist, konzentriert sich die Workstation ganz auf Linux- und Windows-Umgebungen. Die Liste der unterstützten Gastsysteme - also jener Betriebssystemversionen, die in der Virtualisierung betrieben werden können - ist zu lang um sie hier im Detail auszuführen. In der Realität zeigt sich aber ohnehin, dass so gut wie alles, was man im OS-Bereich so findet, eingesetzt werden kann.

Das Mac-Dilemma

Mit einer unrühmlichen Ausnahme: Apple sperrt sich weiterhin dagegen Mac OS X für den Einsatz in Virtualisierungen (völlig) freizugeben, immerhin will man, dass das eigene Betriebssystem nur auf Original-Hardware läuft. Einzige Ausnahme: Mittlerweile darf der Mac OS X-Server virtualisiert werden - allerdings auch nur dann, wenn darunter wieder ein Apple-System seine Arbeit verrichtet. Mac unter Windows und Linux zu betreiben, ist etwas, dass also weiterhin zwar technisch problemlos möglich wäre, aber an rechtlichen Problemen scheitert - zumindest was die offizielle Unterstützung des Herstellers betrifft...

Zufälle gibt es nicht

Das Timing der beiden Releases ist dabei wohl kein Zufall: Kurz nach dem Verkaufsstart von Windows 7 vorgestellt, ist die offizielle Unterstützung der neuen Betriebssystemgeneration von Microsoft eines der zentralen neuen Features. Dies gilt sowohl für die 32- als auch die 64-Bit-Versionen von Windows 7, bei Fusion können zusätzlich direkt Boot-Camp-Installationen benutzt werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Um der Desktop-Virtualisierung zu einer größeren Verbreitung zu verhelfen, ist es essentiell, dass sich virtualisierte Umgebungen weitgehend ident zu nativen Installationen verhalten. Was die Performance angeht, ist hier schon länger praktisch kein Unterschied mehr feststellbar. Als zentraler Schwachpunkt hat sich allerdings die 3D-Unterstützung erwiesen, etwas wo die neue Softwaregeneration von VMware erhebliche Fortschritte macht.

Aero

Denn erstmals ist das Ganze so weit gediehen, dass die Desktop-Effekte von Windows 7 (und Vista) vollständig unterstützt werden. Sowohl Flip3D als auch Aero Peek lassen sich nun also in einer virtuellen Maschine (VM) problemlos betreiben - freilich vorausgesetzt die Grafikhardware am Host-System bietet eine ausreichende Performance.

DirectX

Der Hersteller gibt den Level der 3D-Unterstützung mittlerweile bei DirectX 9.0c mit Shader Model 3.0 an. Ganz neu hinzugekommen ist außerdem der Support für OpenGL 2.1 - allerdings auch dies nur für Windows-Gastsysteme. Linux-Systeme mit vollen Desktop-Effekten - wie es etwa Virtualbox beherrscht - lassen sich so weiterhin nicht betreiben.

Grafik: VMware

3D-Support bedeutet natürlich nicht die Unterstützung von professionellen 3D-Anwendungen, Spiele lassen sich darüber ebenfalls in einer Virtualisierung betreiben. Aber auch wenn die aktuelle Produktgeneration hier wieder einmal deutliche Fortschritte macht - so demonstriert man etwa, wie der Flight Simulator X in einer VM läuft - ist dies vornehmlich für etwas ältere Titel interessant. Wer wirklich aktuelle Windows-Spiele betreiben will, wird auch weiterhin nicht an einer nativen Installation vorbei kommen.

Unity

Schon seit einigen Releases gibt es den Unity-Modus bei Fusion/Workstation, damit lassen sich Programme in der Virtualisierung quasi aus ihrer Umgebung "herauslösen" und direkt neben nativen Anwendungen am Host betreiben. Dies funktioniert nach der Installation der VMware-Tools - einer Sammlung spezieller Treiber und Zusatzprogramme - sowohl mit Windows als auch mit Linux-Gastsystemen.

RAM

Wer will, kann mit Fusion also zum Beispiel Windows, Linux und Mac-Programme direkt nebeneinander betreiben - genügend Hauptspeicher für den Betrieb von drei Betriebssystemen natürlich vorausgesetzt. Eine nette Neuerung für die Workstation ist, dass nun auch hier das "treiberlose Drucken" funktioniert, das Gastsystem also die Druckfunktionen des Hosts übernimmt. Bei Fusion gab es das schon in der Vorgänger-Release.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In den aktuellen Releases wurde Unity noch einmal erheblich aufpoliert, so verspricht man eine ganze Reihe von deutlich spürbaren Performance-Optimierungen. So sollen nicht nur 3D-Spiele wesentlich besser in diesem Modus laufen, selbst 1080p-Videos sollen mittlerweile ruckelfrei im Gast wiedergeben werden können.

Mac

Besonderen Wert auf die Integration zwischen einem Windows-Gast und dem Host-System legt man bei VMware Fusion, insofern geht Unity hier spürbar über die Möglichkeiten bei der Workstation hinaus. Auf diese Weise will man die Grenzen zwischen den beiden Umgebungen zunehmend vollständig verschwinden lassen.

Möglichkeiten

Konkret äußert sich dies etwa so, dass Windows-Programme als Default für gewisse Dateitypen unter Mac eingerichtet werden können, Videos beispielweise automatisch mit dem Windows-Media Player gestartet werden können. Oder auch darin, dass Webseiten direkt aus der Mac-Umgebung heraus im Internet Explorer betrachtet werden können - vor allem für Web-EntwicklerInnen eine äußerst nützliche Verschränkung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit der VMware Fusion 3 treibt man dieses Ziel nun noch einmal ein entscheidendes Stück voran. So haben die Windows-Anwendungen im Unity-Modus mittlerweile sogar jeweils ein eigenes Mac-typisches Menü, über das sich zentrale Aufgaben wie das Beenden des Programms vornehmen lassen. Selbst Apple-Shortcuts wie "Command-q" können damit nun gezielt auf einzelne Windows-Programme angewendet werden.

Always on

Ein echtes Highlight von Fusion 3 ist das neue "Always on" genannte Startmenü. Dieses bietet über ein kleines Icon im Panel den Zugriff auf die wichtigsten Funktionen und Programme der Virtualisierung - selbst wenn die VMware gerade gar nicht läuft. Der Aufruf einer Anwendung startet dann natürlich gleich automatisch die gesamte virtuelle Maschine - auch wenn dies so seine Zeit benötigt, ist dies doch ein äußerst sinnvolles Feature.

Wechsel

Nett auch, dass bei diesem Startmenü schnell zwischen mehreren virtuellen Maschinen gewechselt werden kann, also gezielt Programme aus unterschiedlichen Umgebungen aufgerufen werden können. Auch sonst glänzt Fusion bei der Integration zwischen Mac und Windows: Der Exposé-Modus funktioniert wie mit nativen Programmen, Windows-Anwendungen landen automatisch im Dock und können dort auch fix abgelagert werden, auch das Fenster-Preview bei der Miniaturisierung funktioniert wie gehabt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Entsprechend der unterschiedlichen Ausrichtung - Fusion an die breite Masse, Workstation vor allem an technisch versierte NutzerInnen - gibt es in Interface-Fragen erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Lösungen. So versucht Fusion mit einem möglichst reduzierten und optisch ansprechenden Interface zu punkten, bei der Workstation gibt es hingegen mehr Funktionalität auf den ersten Blick.

Überblick

Der aktuelle Stand der verschiedenen installierten VMs wird bei Fusion anhand von Miniaturgrafiken dargestellt. Zusätzlich gibt es einige Optionen zur Erstellung neuer Maschinen, wer nur mal schnell experimentieren will, wird sich über den Hinweis auf Trial-Versionen von Windows Vista und 2003 Server freuen. Aber auch sonst gibt es im VMware Virtual Appliance Marketplace eine Fülle an vorkonfigurierten Systemen.

Migration

Neu ist bei Fusion die fixe Integration eines Migrationsassistenten, dieser hilft dabei eine bestehende Windows-Installation in eine virtuelle Umgebung umzusiedeln. Dies kann entweder per Wireless-Verbindung, Ethernet oder Firewire passieren. Eine weitere Neuerung von VMware Fusion 3 ist der Support für Mac OS X 10.6 "Snow Leopard" sowie die deutlich gesteigerte Performance in so gut wie allen Bereichen. Bemerkbar soll sich das vor allem auf aktuellen Macs mit Nehalem-CPU machen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Aber auch sonst wurde in den letzten Monaten eifrig am VMware-Kern gefeilt, etwas wovon beide Lösungen profitieren. So sollen nun etwa Anwendungen erheblich schneller starten, außerdem soll das Aufwachen aus dem Schlafzustand nun gut doppelt so flott von statten gehen. Als Draufgabe wurde auch der Speicherverbrauch von virtuellen Maschinen mit Windows Vista / 7 erheblich gesenkt.

Trickreich

Der bisher schon recht mächtigen Snapshot-Funktion, mit der sich der aktuelle Stand einer virtuellen Machine festhalten und später wieder aufrufen lässt, hat man ebenfalls neue Tricks beigebracht: Mit AutoProtect lassen sich automatische Snapshots von einzelnen VMs anlegen, wie oft dies passiert, und wie viele davon abgelagert bleiben, lässt sich frei festlegen. Dass dabei nicht die Festplatte überquillt und das ganze System zum erliegen kommt, liegt daran, dass VMware platzsparend immer nur die Unterschiede zum vorherigen Snapshot festhält.

Aufzeichnung

Da sich die VMware Workstation primär an EntwicklerInnen und TesterInnen richtet, gibt es hier auch einige Funktionen, auf die man bei Fusion verzichtet. So hat man etwa eines der mächtigsten Features, Record and Replay, spürbar beschleunigt. Über dieses Feature können Abläufe in einer VM im Nachhinein Schritt für Schritt nachvollzogen werden - perfekt für das Debuggen von fehlerhafter Software. Solche Aufzeichnung lassen sich nun außerdem einfach mit anderen teilen.

Entwicklung und Sicherheit

Neu ist ebenfalls die Integration mit weiteren Entwicklungsumgebungen, konkret mit den SpringSource Tools Suite und dem Eclipse IDE für Java & C/C++. Aus einer Sicherheitsperspektive sehr interessant: Virtuelle Maschinen können jetzt verschlüsselt abgespeichert werden, dazu kommt 256-Bit-AES zum Einsatz.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wer schnell mal auf dem Host die gesamte Leistungsfähigkeit des Systems braucht, wird sich über eine weitere Neuerung freuen: Es gibt nun eine Pausefunktion, die die virtuelle Maschine umgehend einfriert - wesentlich flotter als auf einen Suspend-Vorgang in der VM zu warten.

Virtuelle Festplatten

Weitere Verbesserungen gab es für die Workstation 7 beim Drag & Drop zwischen Host und Gast, hier werden nun mehr Dateitypen als bisher unterstützt. Außerdem können virtuelle Festplatten nachträglich wieder frisch komprimiert werden, um Platz zu sparen. Umgekehrt können jetzt Filedisks auch später noch vergrößert werden, bei Vista und Windows 7 geht das sogar ohne weitere Tools.

Nachladen

Platzsparend ist der Umstand, dass die bisher fix ausgelieferten VMware Tools nun auf Wunsch erst nachträglich heruntergeladen werden, die Software nimmt das im Bedarfsfall automatisch vor. Außerdem können Smart Cards jetzt gezielt einzelnen VMs zugewiesen werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine lang anstehende Verbesserung wird besonders Linux-UserInnen freuen, die Workstation unterstützt nun endlich auch das aktuelle Sound-System ALSA. Umgekehrt gibt es hier aber auch nachhaltige Probleme zu berichten: Auf aktuellen Linux-Systemen zeigten sich in unseren Tests massive Schwierigkeiten beim Einsatz der Workstation 7.

Ursächlich

Verantwortlich zeichnet dafür der mit dem aktuellen GTK+ 2.18 aufgenommene Client-Side-Windows-Support im Toolkit. So funktioniert etwa der Wechsel zwischen Gast und Host nicht mehr richtig, zum Teil kommt es sogar zu Abstürzen. Immerhin gibt es eine vorübergehende Abhilfe in Form einer Umgebungsvariablen, wer VMware aus der Konsole mit dem Befehl "GDK_NATIVE_WINDOWS=true vmware" startet, sollte von den Problemen verschobt bleiben, werden so doch die Client-Side-Windows deaktiviert.

Unterstützung

Eine wirklich dauerhafte Lösung ist dies freilich nicht, insofern bleibt zu hoffen, dass der Hersteller hier bald Abhilfe findet. Immerhin stehen nach Ubuntu 9.10 schon bald auch neue Releases von Fedora und openSUSE an - beide ebenfalls mit GTK+ 2.18. Fairerweise sollte allerdings auch erwähnt werden, dass VMware selbst all diese Releases noch nicht als offiziell unterstützt angibt. Auch zeigen sich die Probleme natürlich auch mit älteren Workstation-Versionen, sind also nicht erst mit der neuen Ausgabe der Software eingeführt worden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit der neuen Softwaregeneration verschiebt VMware außerdem einmal mehr die Grenzen der Virtualisierungsmöglichkeiten: Bis zu vier virtuelle CPUs und 32 GByte RAM kann eine virtuelle Maschine nun nutzen.

Default

Sowohl mit VMware Fusion 3 als auch mit der Workstation 7 setzt der Virtualisierungsexperte einmal mehr die Standards in diesem Feld. Viele kleine Neuerungen machen das Arbeiten mit der Virtualisierungslösung immer komfortabler - und auch performanter. Vor allem Fusion überzeugt zudem mit seiner beinahe schon perfekten Integration zwischen Mac und Windows-Systemen. Abzuwarten bleibt lediglich wie sich hier der gerade veröffentlichte Parallels Desktop 5 - der Hauptkonkurrent von VMware am Mac - schlagen wird, der ebenfalls signifikante Performance-Verbesserungen und eine bessere Windows-7-Integration verspricht. Ob sich ein Kauf auszahlt, hängt aber ohnehin vor allem von den eigenen Anforderungen ab. Viele NutzerInnen, die die fortgeschrittenen Features der VMware-Software nicht wirklich brauchen, werden auch mit der freien Virtualbox auskommen.

Kauf

VMware Fusion 3 kann um rund 80 US-Dollar erworben werden, ein Update von älteren Versionen schlägt mit 40 US-Dollar zu Buche. Die Workstation  ist mit 189 US-Dollar erheblich kostspieliger, das Update kostet hier 99 US-Dollar. Wer nur mal kurz in die Software hineinschnuppern will, kann dazu eine Trial-Lizenz benutzen, die für 30 Tage gültig ist. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 09.11.09)

Screenshot: Andreas Proschofsky