Aber Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat sich dennoch erst heute in diesem Sinne geäußert. Das zeigt aufs Neue, unter welch zweifelhaften, rein innen- und parteipolitisch motivierten Umständen Kanzler Faymann und Vizekanzler Pröll ihre Nominierungsentscheidung getroffen haben. Offenbar auch noch überstürzt - kurz vor der Ministerratssitzung am Dienstag. Denn anders ist das alles nicht erklärbar. Hahn muss wohl selber überrascht gewesen sein, wenn er solch wichtige Dinge wie den Verhaltendskodex der Kommissare nicht rechtzeitig studieren konnte.

Fragen über Fragen: Hat man in der ÖVP wirklich geglaubt, Hahn würde die Anhörung im Europäischen Parlament überstehen, wenn er zugeben müsste, dass er in seiner Heimat eine parteipolitische Spitzenfunktion ausübt? Der Wiener VP-Chef sitzt doch im Bundesparteivorstand, oder nicht? Weiß man in der Volkspartei eigentlich, dass der Tscheche Spidla erst vor wenigen Wochen sein Kommissarsamt zurückgelegt hat, eben weil er in seiner Heimat Parteichef geworden ist?

Mit dieser Episode hat sich Hahn ohne jeden Zweifel seinen ersten großen Schnitzer geleistet. Er sollte das ausbügeln, so rasch es geht: Und sofort erklären, dass er auf die Funktion des Parteichefs verzichten wird, sobald er als Kommissar im EU-Parlament bestätigt wird. Sonst beschädigt er sich und auch das Ansehen der gesamten EU-Kommission. Man sollte eines nicht übersehen. Die Kommission in Brüssel ist ein Kollegialorgan. Jeder einzelne Kommissar entscheidet also über alle Fragen mit, ob das nun harte Maßnahmen gegen Kartelle oder gegen Missbrauch von Fördergeldern in einer EU-Hauptstadt sind.

Das größte Kapital der Kommissare ist ihre Glaubwürdigkeit, ob es nun gegen Regierungen, Konzerne wie Microsoft oder was immer geht. Es darf nicht einmal der Anschein da sein, jemand könnte befangen sein. Hahn kann mal bei Jacques Santer nachfragen was geschieht, wenn Kommissare in Verdacht geraten, nicht sauber zu arbeiten. Daran nicht zuletzt ist die Santer-Kommission gescheitert. Sie musste unter Druck zurücktreten. Die Folge war die Kreation eines strengen Verhaltenskodex.

Sein Grundgedanke: Ein Kommissar darf keine bezahlte oder unbezahlte Tätigkeit ausüben, die ihm den Vorwurf der Parteilichkeit bei Kommissionsentscheidungen einbringen könnte. So einfach ist das. Dafür kriegen sie ein großes Gehalt und eine gute Arbeitsinfrastruktur.