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Teamspielerin Hillary Clinton: Zuerst wirkte sie blass, jetzt macht sie gute Figur.

Foto: Reuters/McNaughton

In deren Schatten profiliert sich amerikanische Außenministerin Hillary Clinton mit einer neuen Art der Diplomatie.

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Neulich in Moskau erzählte Hillary Clinton von ihrem Lieblingsroman. Manchen mag es überrascht haben, denn der Autor ist kein Amerikaner, sondern ein Russe. Es ist Fjodor Dostojewski, dessen Brüder Karamasow sie ausgesprochen lehrreich findet, allem voran die Legende vom Großinquisitor. "Zu den größten Gefahren zählen Menschen, die glauben, dass sie absolut, ohne Zweifel recht haben."

Es ist eine schöne Metapher, auch für den Wandel in Washington. Alte Selbstgewissheit verfliegt, man liest neuerdings Bücher wie "Die postamerikanische Welt" , eine Analyse über das Erwachen Chinas, Indiens, Brasiliens. Die Supermacht bastelt an Koalitionen, gefragt sind Geduld und Kompromisse. Etwas, worauf sich Hillary Clinton versteht. Bis zum Sommer wirkte sie wie eine Nebendarstellerin, eine Statistin auf der Bühne Barack Obamas. Zu sehr war das "Team der Rivalen" , das die besten Köpfe vereinen sollte, zu einer Ein-Mann-Show geraten. Der Präsident setzte die Akzente, die Außenministerin stand in seinem Schatten, pflichtbewusst, aber blass. Jetzt werden seine visionären Reden kritischer darauf geprüft, ob ihnen auch Taten folgen. Und Hillary Clinton, die kommentiert ihre Rolle im zweiten Glied mit ironischen Spitzen. "Ich glaube nicht, dass mein Gesicht jeden Tag auf Titelseiten sein muss."

Kabinettskollegen bescheinigen ihr, eine exzellente Mannschaftsspielerin zu sein. Robert Gates, der Chef des Pentagon, schwärmt über die reibungslose Zusammenarbeit: lange hätten sich ein Verteidigungsminister und eine Außenministerin nicht so gut verstanden.

Vielleicht hilft es sogar, dass sich andere um die akuten Krisenherde kümmern. Für "Afpak" , wie die Spannungsregion Afghanistan/Pakistan in der Aktensprache heißt, ist Richard Holbrooke zuständig. In Nahost pendelt George Mitchell. Folgerichtig fragten Skeptiker, ob für die Chefdiplomatin etwa nur die Randthemen blieben. David Rothkopf, Politologe an der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, sieht freilich die Kehrseite der Medaille: Clinton könne sich so den Zukunftsthemen widmen, meint er. "Was ist zu tun, wenn China oder Russland sowohl Partner als auch Rivalen sind?"

Aber es sind nicht die brillanten Strategieentwürfe, mit denen Clinton von sich reden macht. Es ist ihre spezielle Art der Diplomatie. Auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen folgt in der Regel ein offenes Diskussionsforum. "Wir wollen Netzwerke knüpfen, über das Traditionelle hinaus", skizziert Anne-Marie Slaughter, die Planungschefin des State Department, den Ansatz. Neue Posten entstehen, es gibt eine Sonderbotschafterin für Frauenfragen und einen Berater für Innovation, der nachdenken soll, wie sich Kommunikationsmittel à la Facebook und Twitter am besten für die Offensive des Lächelns einsetzen lassen. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2009)