Reagieren auf Krisen und Entscheidungen der Erwachsenen:die Freundinnen Yuki (Noë Sampy, re.) und Nina (Arielle Moutel).

Foto: Viennale

Yuki ist neun Jahre alt, ihr Vater Franzose, ihre Mutter Japanerin, Nina ist ihre engste Freundin. Yuki lebt mit ihren Eltern in einem Loft in Paris, die Verhältnisse haben etwas Bohemistisches und Kosmopolitisches, zugleich wirken sie kommod und geregelt. Der Sommer kündigt sich an, die Ferien beginnen bald, doch über die Unbeschwertheit, über das Behütetsein legt sich ein Schatten: Yukis Eltern sind im Begriff, sich zu trennen. Yukis Mutter will nach Japan zurückkehren, ihre Tochter soll sie begleiten.

Über weite Strecken ist Yuki et Nina von Hippolyte Girardot und Nobuhiro Suwa ein genau beobachtender Alltagsfilm: Wie gehen die Figuren damit um, dass sich ihr Leben ändert? Wie begegnen sie dem drohenden Verlust, wie den Schmerzen, die sie selbst sich zufügen? Wie sprechen sie miteinander? Wie streiten sie, wie setzen sie sich an den Abendbrottisch?

Vielschichtige Gefühlslagen

Schon in seinem vorangegangenen Film Un couple parfait (2005), in dem Valeria Bruni Tedeschi und Bruno Todeschini ein Paar im Zustand der Auflösung spielten, verstand sich Nobuhiro Suwa ausgezeichnet darauf, vielschichtige und quälende Gefühlslagen in Szene zu setzen - Gefühle, die deshalb so ambivalent sind, weil die Figuren sich etwas antun, das sie kaum ertragen. Zugleich ist klar: Sie haben keine andere Wahl, ja, sie wollen es so. In Yuki et Nina verhält es es sich ähnlich, solange es um das Verhältnis der Eltern geht; den Unterschied macht der Umstand, dass diesmal die Perspektive des Kindes in den Vordergrund rückt.

Anders als die Erwachsenen hat Yuki nicht herbeigeführt, was ihr Schmerzen bereitet, trägt sie keine Verantwortung an ihrem Leid. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als zu reagieren - und wie sie das tut, zeichnen Suwa und Girardot einfühlsam nach. Girardot führt hier zum ersten Mal Regie, bekannt ist er als Darsteller vor allem aus den Filmen Arnaud Desplechins. Er spielt zudem Yukis Vater - als schwankende Figur. Mal reklamiert er eine traditionelle Männerrolle, mal ist er fürsorglicher Vater, mal in seinem Stolz gekränkt, dann wieder von der Trauer überwältigt.

Das für sich genommen ist in seiner Vielschichtigkeit schon beeindruckend. Beeindruckender noch wird es, weil Yuki et Nina in einer Schlüsselszene behände die Register wechselt. Mit einem einzigen Schnitt tritt der Film ins Reich des Fantastischen über. Was eben noch ein französischer Wald war, öffnet sich auf eine japanische Lichtung. In der einen Einstellung ist die Kamera bei Yuki zwischen den Bäumen, in der nächsten Einstellung schaut sie frontal, in einer stillen Totale, auf eine Baumfront.

Obwohl diese Bäume keinen konkreten Hinweis auf den Wechsel bieten, ahnt man, dass der Film in Japan angekommen ist. Einige Szenen später macht er diesen kühnen Sprung rückgängig. Und wie mühelos ihm das gelingt, das ist dann noch einmal beeindruckender. (Cristina Nord, DER STANDARD/Printausgabe, 24.10.2009)