Chicago - Die Früherkennung von Brust- und Prostatakrebs sollte nach Ansicht zweier US-Experten neu bewertet werden. Die vor mehr als zwei Jahrzehnten eingeführten Vorsorgeuntersuchungen hätten nicht die erhoffte Senkung der Sterblichkeit gebracht, schreiben die Mediziner im "Journal of the American Medical Association". Stattdessen gebe es viele Überdiagnosen und Übertherapien.

Die Früherkennung der bei Männern und Frauen häufigsten Tumorarten, die in den USA zusammen rund 27 aller Krebserkrankungen stellen, wurde vor Jahrzehnten eingeführt. Mit dem PSA-Test hat sich das Risiko eines Mannes für die Diagnose Prostatakrebs fast verdoppelt. Auch die Zahl der Brustkrebs-Patientinnen stieg mit der Früherkennung deutlich an. Zwar sank auch bei beiden Tumorarten die Zahl der Todesfälle, aber unklar ist, in welchem Maß das Screening dazu beitrug.

Grundsätzlich stellen die beiden Experten die Vorsorge nicht infrage. "Die Früherkennung bietet einen gewissen Nutzen", sagt die Radiologin Laura Esserman von der Universität von Kalifornien in San Francisco. "Aber das Problem ist, dass der Nutzen bei weitem nicht so groß ist wie wir hofften und auf Kosten von Überdiagnosen und Überbehandlung erkauft wird."

Aggressiven Karzinome verpasst

Esserman und der Urologe Ian Thompson von der Universität von Texas in San Antonio beklagen, die Früherkennung fördere vor allem die Diagnose langsam wachsender Tumore, verpasse aber oft die besonders aggressiven Karzinome. "Die grundsätzliche Annahme der Screening-Programme, dass das frühe Entdecken und Behandeln der Erkrankung das Spätstadium oder Metastasen verhindert, ist vielleicht nicht immer zutreffend", schreiben die Experten.

Die Früherkennung sei zwar nicht schlecht, aber man dürfe sich darauf allein nicht verlassen. "Wenn ein Tumor aggressiv ist, mag auch eine frühe Diagnose den Tod nicht verhindern", sagt Thompson. Daher müsse man verstärkt nach Markern dafür sorgen, welcher Tumor lebensbedrohlich ist und welcher nicht.

Ganz anders sieht die Situation nach Ansicht der Mediziner bei der Früherkennung von Gebärmutterhals- und Darmkrebs aus. Hier könnten bereits nicht-bösartige Vorstufen entdeckt und entfernt werden, betonen sie. (APA/AP)