Manche glauben ja wirklich, es handle sich bei deren notorischer Weigerung, den EU-Vertrag von Lissabon zu beurkunden, um echte, besorgte, gar konstruktive EU-Kritik. Ein schwerer Irrtum. Klaus und Kaczynski sind Nationalisten, einer dazu ein religiöser Eiferer. Das zusammenwachsende Europa ist ihnen zu tolerant, zu liberal, zu laizistisch, die Integration der Staaten ein gefährliches Programm.

Man sollte sich schon in Erinnerung rufen, dass es Polen bei den Verhandlungen um den Verfassungsvertrag vor allem auch darum gegangen ist, das Bekenntnis der Union zum Christentum festzuschreiben. Heute lieferte der polnische Präsident aber eher eine Kasperliade. Sein Sprecher kündigt die Vertragsunterzeichnung fürs Wochenende an, Kaczynskis rechtskonservativer Bruder und Ex-Premierminister verweist das umgehend ins Reich der Träume und beruft sich dabei unmissverständlich auf brüderliche Bande.

Wer glaubt, mit solchen Leuten könne man eine berechenbare, fruchtbare europäische Zukunft bauen, dem kann man nur viel Glück wünschen. Es soll ja auch Leute auf dem Kontinent geben, die sich darüber freuen, käme der britische Tory-Anführer David Cameron bald ins Amt des Premierministers, damit er dann mittels Volksabstimmung endlich den von Ober- und Unterhaus und Queen verabschiedeten EU-Vertrag wieder zurückzunehmen könnte.

Auch hier gilt: Diese Leute haben bereits 2004 den (später an Frankreich gescheiterten) Verfassungsvertrag bekämpft, nicht zuletzt, weil der die Anerkennung der Grundrechte und der Menschenrechtskonvention durch die EU vorsah. Die Briten wollen sich aber nicht vorschreiben lassen, dass EU-Richter in Londoner Gerichtsentscheide eingreifen.

Darum geht's. Die vorgeblichen EU-Kritiker sind in Wahrheit Feinde der Union, die den EU-Reformvertrag von Lissabon im letzten Moment noch kippen wollen. Mit Vernunft und der Sorge um Demokratie hat das nichts zu tun. Könnten sie, wie sie wollen, würden sie die Integration wohl gerne wieder zurückdrehen.

Das gilt auch für Vaclav Klaus, der den Euro totredet, seit seine Einführung im Maastrichtvertrag 1992 beschlossen wurde. Inzwischen hat Tschechien in der Banken- und Wirtschaftskrise sehr vom Netz (und vom Geld) der Euro-Gemeinschaft profitiert.

Gerade hat der schwedische EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt bekanntgegeben, dass Klaus bei der Unterzeichnung des Lissabon-Vertrages gerne etwas dazuschreiben würde. Offenbar passt ihm nicht, dass im neuen EU-Vertrag eine Grundrechtscharta zur Anwendung kommt und Eingriffe in nationale Rechte ermöglicht, was eine europäische Rechtssprechung auf diesem Gebiet bringen soll. Will er den Zusatz, dass die Grundrechte für Tschechen in der Union nicht gelten sollen? Absurd. Es ist übrigens heute schon so, dass die EU-Höchstrichter sich an den Erkenntnissen des Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg orientieren.

Es gibt ein großes Thema zu diskutieren: Wie schaffen wir als EU-Bürger eine kritische, aber ernsthafte Auseindersetzung mit der Union, die unser aller Rahmen ist, ohne von den Extremisten gleich als EUphorischer Brüssel-Knecht einerseits oder als EU-Gegner andererseits hingestellt zu werden. Schwierig.