Der Belgier Jef Geys sammelt und will öffentlich präsentiert wissen, was ansonsten gerne in der Hoffnung auf Wertsteigerung in dunklen Lagern gehortet wird.

Foto: BAWAG F / Oliver Ottenschläger

Wien - Künstler kennen das, deren ohnehin spärlich gesäte potenzielle Kunden weniger: Ist die Ware erste einmal in Kommission an einen Galeristen vergeben, erblickt sie nie wieder das Licht eines möglichen Verkaufsgespräches.

Weil: Galeristen - das ist ihre Natur - wollen möglichst viel Ware im Tausch gegen möglichst wenige Verpflichtungen bunkern. Und landet ein Werk einmal im Lager, dann wird es im Regelfall schon tags darauf von einem anderen überdeckt. Das Hervorkramen von Ware aus dem Stapel von letzter Woche ist dann selbst im äußerst seltenen, spontanen Verkaufsfall zu mühsam.

Dazu kommt: Der Künstler - das ist seine Natur - führt selten Listen, die im Verlust-, und dem womöglich folgenden Klagsfall, auch halten. Und also bleiben die Werke verschüttet. Außer es ergibt sich jener Zufall, auf den zumindest die Händler hoffen: Der Künstler wird abrupt berühmt. Dann erst hüpfen die Dagoberts in ihre Kommissionsbunker und kommen - verstaubt, aber glücklich - mit einem "Ich habe ihn schon ganz früh gesammelt!" auf den Lippen aus dem Lager mit den vernudelten Blättern, den grob patinierten Skulpturen und den Bildern mit den ehemals scharfen Kanten.

Jef Geys, Belgier, 1934 geboren und demnach mit viel Erfahrung ausgestattet (er hat heuer u. a. den belgischen Pavillon an der Biennale von Venedig bespielt und war bei der letzten Documenta in Kassel vertreten), kennt das nur zu gut. Nicht länger mehr will er seine Bilder auf Eis gelegt wissen. Und überhaupt erscheinen ihm die Strategien des Kunstmarktes wenig sinnstiftend. Stellvertretend für viele stellt er, formuliert durch den Kurator Roland Patteeuw, nüchtern fest: "Die Werke werden nicht angekauft, die Galerie beteiligt sich nicht an den Produktionskosten, es gibt keine Leihvereinbarung, und es geht vor allem um die frühen Arbeiten des Künstlers, weil diese als am wertvollsten eingestuft werden. Warum die Galerie Bedingungen stellt, ist unklar. Handelt es sich um ein Entgelt für die Nutzung des Raums? Sind Kosten zu teilen? Gestaltet sich die Teilnahme an Kunstmessen (vor allem im Ausland) so teuer?"

Fragen, die nur zu einem führen können: zu einer weiteren Ausstellung. Diesmal in der Wiener Bawag-Foundation, die Geys als einen Künstler präsentiert, der "die Konstruktion sozialen Engagements, die Vermittlung gesellschaftspolitischer Zusammenhänge und die Grundsatzdiskussion über Inhalt, Form und Funktion der künstlerischen Sprache" als Angelpunkt eines Werkes sieht, welches "das Betriebssystem Kunst grundlegend in Zweifel zieht".

Jedenfalls ließ Jef Geys auszugsweise in die Bawag-Foundation verfrachten, was er aus dem Lager seiner Galeristin Erna Hécey (Brüssel) loseisen konnte. Die dürfte das wenig stören, bringt doch jede weitere Ausstellung in einer internationalen Institution Pluspunkte in einschlägigen Rankings - und zieht demnach eine Wertsteigerung nach sich.

Neben diesen gut dokumentierten Gesten zur Positionierung in kritischer Distanz zum gemeinen Marktwesen (zur Aufwertung des Respekts gegenüber dem Warenwert) zeigt Geys in Wien Archivmaterialien zum Privatleben.

So etwa fragt er sich nachgerade klassisch "Was wäre wenn?", hatte er doch vor Jahrzehnten im burgenländischen Stoob die Tochter des Grafen Zichy kennen- und offensichtlich auch zart lieben gelernt. Und wer weiß, ob er nun in der Bawag ausstellen würde, wäre ihm damals auch nur ein Wort über die Lippen gekommen. Er blieb stumm. Die Liebe versiegte. Aus Jef Geys ist ein Künstler geworden. Einer, der sich unentwegt (1965- 2007) Frauenfragen stellt. 157 Fragen an die Schülerinnen der Mädchenschule, an der er unterrrichtet hat, sind das. Seine Untersuchung des Status der feministischen Bewegung wurde in zwölf Sprachen übersetzt. Respekt. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.11.2009)