Das Leben ist hart. Und dann stirbt man. Townes Van Zandt, Chronist der alltäglichen Hölle.

 

Foto: Domino

In dem 2006 herausgebrachten Dokumentarfilm Be Here To Love Me von Margaret Brown über den Folk- und Country- und Blues-Sänger Townes Van Zandt gibt es eine Schlüsselszene: In dieser sitzt Van Zandt mit Freunden in einer Küche. Schräg hinter ihm - ein Schwarzer in Jeansjacke und Cowboyhut, die Arme vor der Brust verschränkt. Townes beginnt zu singen. Mit seiner charakteristischen, leicht nasalen, hellen Stimme, die doch meist nur die dunkelsten Ecken irdischen Daseins durchmisst. Und plötzlich beginnt das Kinn seines Nachbarn zu vibrieren, und dicke Tränen kullern über seine Wangen.

Für wie viele solcher salziger Rinnsale der am Neujahrstag 1997 verstorbene Sänger zeit seines Lebens und danach gesorgt hat - man weiß es nicht. Es muss ein Fluss gewesen sein. Denn bei diesem Spross einer betuchten texanischen Familie, die ihr Geld im Ölgeschäft gemacht hatte, handelte es sich um einen der außergewöhnlichsten Songschreiber aller Zeiten. Von einem seiner treuesten Freunde und Fans, dem großartigen Country-Rocker Steve Earle, stammt der berühmt gewordene Ausspruch: "Townes Van Zandt is the best songwriter in the whole world and I'll stand on Bob Dylan's coffee table in my cowboy boots and say that." Eine Liebeserklärung, die der solcherart Umarmte mit "I've met Bob Dylan and his bodyguards, and I don't think Steve could get anywhere near his coffee table" kommentierte.

Seit seinem frühen Tod mit nur 52 Jahren, geschuldet den sein ganzes Erwachsenenleben begleitenden Abhängigkeiten von Medikamenten, Heroin und Hochprozentigem, sind etliche Kompilationen und Resteverwertungen wie mittelmäßige Live-Aufnahmen erschienen.

Das Label Domino Records legt nun die Alben For The Sake Of The Song (1968), Our Mother The Mountain (1969 ), Townes Van Zandt (1969 ), Delta Momma Blues (1971), Live At The Old Quarter, Houston, Texas (1977) Flyin' Shoes (1978) sowie den Soundtrack zu Be Here To Love Me neu auf. Weitere sind in Vorbereitung. Darauf zeigt sich das Talent dieser tragischen Gestalt in all seinen Graustufen. Denn Van Zandt war ein Chronist weltlicher Finsternis. Ein Umstand, den er mit "Ich denke nicht, dass all meine Lieder traurig sind, einige sind auch hoffnungslos" umschrieb. Schwarzer Humor als einzig mögliche Form des Optimismus.

Beeinflusst vom Blues-Sänger Lightnin' Hopkins sind Van Zandts Songs lapidare Kurzgeschichten, in denen immer jemand leidet - meist der Erzähler. Das ganze Spektrum von Enttäuschungen, unerfüllten Träumen, bohrenden Schmerzen und erschlagender Einsamkeit komprimierte der schüchterne, schlacksiger Sänger so pointiert wie ungeschönt. Zu einer größeren Karriere hat es nie gereicht, doch Größen und Freunde wie Willie Nelson, Kris Kristofferson, Steve Earle, Guy Clark, Emmylou Harris, Freddy Fender oder auch Norah Jones haben seine Songs interpretiert und ihn so zumindest einer einschlägig interessierten Gemeinde nähergebracht. Alles gut und schön und ehrenwert. Doch niemand vermochte diese Songs so tief ins Herz der Finsternis zu tragen wie ihr Schöpfer selbst. Egal ob er alleine zur Akustischen, mit großer oder kleiner Band oder von Streichern oder Bläsern unterstützt vorgetragen hat. Die Eindringlichkeit und die Präzision seiner Sprache stellen Townes Van Zandt auf eine Stufe mit Größen wie Woody Guthrie, Johnny Cash oder Bob Dylan. Mindestens. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.10.2009)