Ein magisches Glühen umfängt den steirischen Erzberg: "Erzberg I" (1942) stammt aus jener bisher wenig beachteten ruhigen Phase Herbert Boeckls zur Zeit des Nationalsozialismus.

 

Foto: Belvedere

Wien - Nicht all seine Schätze auch herzuzeigen zeugt nicht nur von der Tugend der Bescheidenheit, sondern auch von Schläue: Bruno Grimschitz, Belvedere-Direktor während des Nationalsozialismus, stellte in jener Zeit, die der experimentierfreudigeren Kunst ständig mit dem Stempel der "Entartung" drohte, nicht alles aus, was die Sammlung des Hauses an Werken Herbert Boeckls hergegeben hätte. Statt beschlagnahmt zu werden, blieben die wilderen, expressiveren Sachen seines Freundes Boeckl im Depot und die Gemüter kühl.

Wie zusätzlich kalmierend sich Boeckls Mitgliedschaft in der Reichskunstkammer und der NSDAP ausgewirkt hat (Umstände, die ihn nach dem Krieg den Rektorenposten an der Akademie gekostet haben), vermag man nicht zu sagen. Dass er sich in jenen Jahren vom offiziellen, gleichgeschalteten Kunstbetrieb fernhielt, sich stillen landschaftlichen und intimeren familiären Motiven - seiner Frau und den neun Kindern - zuwandte, spricht für Pragmatismus statt Haltung.

Ein Rückzug, der das Bild von Boeckl als Maler des jeweiligen Zeitgeists unterstreicht: Über Symbolismus und Jugendstil bis zum Kubismus führte der Weg des expressiven Künstlers und malerischen Autodidakten. Die stilistische Bandbreite, derer er sich von 1914 bis 1964 bediente, veranschaulicht die lange vorbereitete Retrospektive der Boeckl-Enkelin Agnes Husslein und ihres Cousins Matthias Boeckl im Belvedere. Umfassende Recherchen, deren Ergebnisse sich auch in einem stark überarbeiteten Werkverzeichnis niederschlagen.

Boeckls Gabe für ausdrucksstarke Porträts zeigt sich hier bereits in den frühen, die Nähe zu Schiele offenbarenden Porträts von Soldaten und von Bruno Grimschitz, den er im Ersten Weltkrieg an der Italien-Front kennenlernte. Ein Hingucker ist auch die aquarellierte Gebirgslandschaft Im Felde, in der Boeckl die rauen Felskanten geradezu in jugendstilhaftem Ornament auflöst. Während seine Landschaften der 1920er, als er sich an Cézanne und einer mediterranen Moderne abarbeitete, keine Heuler sind, sind Boeckls Österreich-Landschaften zwischen 1938 und 1942 ungleich spannender. Den Steinbruch von Margarethen und den steirischen Erzberg, der damals noch vor tosenden Motorsport-Rodeos sicher war, taucht er in ein geradezu magisches, heimische Landschaften überhöhendes Licht.

Highlights sind Boeckls drastische Anatomie-Bilder der 1930er auf Leinwand und Papier, wohingegen mit den tief katholischen Bildern und sakralen Werken schwer warm zu werden ist. Im Spätwerk Boeckls schlägt ein abstrakter kubistischer Stil durch, der in den Arbeiten für die Seckauer Engelskapelle mündet. Ein apokalyptisches Gewusel, genährt aus Gestalten aus Antike und Mittelalter. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.10.2009)