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Wifo-Chef Aiginger ortet fehlende Wettbewerbsgesinnung

Foto: APA/EPA/Fohringer

Wien - Zu wenig Wettbewerb in Österreich ortet Wifo-Chef Karl Aiginger. Länder mit höherer Wettbewerbsintensität erzielten bei Wachstum, Beschäftigung und Einkommensverteilung größere wirtschaftliche Erfolge. Liberalisierungsdefizite weise Österreich laut OECD vor allem bei den Dienstleistungen auf. Würden diese beseitigt, könnte die gesamtwirtschaftliche Produktivität mittel- bis langfristig um 0,4 Prozentpunkte pro Jahr rascher wachsen.

Der Reformdruck sei vor allem von außen gekommen, die faktische Intensivierung des Wettbewerbs gehe auf den EU-Beitritt, die Ostöffnung und die Globalisierung zurück, so Aiginger in einem Vortrag bei einer Veranstaltung des Wirtschaftsministeriums zum Thema "150 Jahre Gewerbeordnung".

Im Mittelfeld

Nach Wifo-Berechnungen mit zwölf Indikatoren liegt Österreich bezüglich Wettbewerbsintensität unter 29 Ländern auf Platz 11. Diese Position sei angesichts der außerordentlich hohen Pro-Kopf-Einkommen nicht adäquat, süd- und zentraleuropäische Länder lägen wie Österreich im Mittelfeld, so Aiginger laut Pressemitteilung. Am höchsten sei die Wettbewerbsintensität unter den europäischen Ländern in Dänemark, das seine exzellente Position in Wirtschaftsleistung, Beschäftigung und Ökologie der Kombination von Investitionsanstrengungen, aktivierender Sozialpolitik und hoher Wettbewerbsintensität verdanke. Weiter vorne als Österreich liegen unter anderem Deutschland (Rang 4), Belgien (8) und die Niederlande (9). Hinter Österreich platziert sind unter anderem Finnland (13), Schweden (14), Estland (18) und Tschechien (19).

Durch den Druck von außen habe sich in Österreich das Wettbewerbsrecht gewandelt - vom Schutzgedanken für bestehende Betriebe zur Forcierung eines fairen, offenen Wettbewerbs. Die Institutionen der Wettbewerbspolitik seien reformiert worden. Sie seien aber nicht ausreichend mit Ressourcen ausgestattet, nicht optimal positioniert und deshalb auch nicht besonders wirksam. Fusionen würden in Österreich so gut wie nie abgelehnt. Bedingungen würden eher von der EU-Ebene denn von Österreich vorgegeben, Sanktionen wegen Kartellbildung und Marktmissbrauch nur vereinzelt national, primär aber von der EU verhängt.

Wettbewerbsgesinnung fehlt

Dies habe aber nicht nur mit den Institutionen zu tun, sondern beginne mit dem Fehlen einer Wettbewerbsgesinnung in Österreich, so der Wifo-Chef. Die Bedeutung des Wettbewerbs für Arbeitsplätze und Innovationen wird nicht genügend erkannt. Es gebe keine vorwärtsgerichtete Wettbewerbspolitik, die ohne direkten Bezug zu einem Anlassfall Wettbewerbsschwächen orten und beheben würde. Gründungen etwa seien noch immer teuer und zeitaufwändig.

Der Preisauftrieb sei 2008 in Österreich in jenen Sektoren höher gewesen, in denen der Wettbewerb schwächer ist (Energie, Nahrungsmittel, Arzneimittel). Nach Abflachen der Inflation verloren auch die Maßnahmen zur Forcierung des Wettbewerbs wieder an Dynamik. Wettbewerbselemente fehlten auch im Universitätssystem und an den Schulen.

Bei der derzeitigen Wirtschaftskrise werde eine Verschärfung der Gewerbeordnung diesmal im Gegensatz zu den Krisen 1873 und 1929/1932 unterbleiben, eher sollten die Chancen zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch weitere Liberalisierung der freien Berufe genutzt werden. Fusionen und Größe würden im Gefolge der Krise kritischer betrachtet werden: "too big to fail" werde zu einem Problem der Wirtschaftspolitik. (APA)