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Der allgegenwärtige Wind in Wien treibt Insekten in die Innenstadt, wo sich Fledermäuse daher besonders heimisch fühlen.

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Fledermausforscher sind den Nachtschwärmern, die Winterschlaf halten, auf der Spur.

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Ein dunkler Schatten am Nachthimmel. Ein kurzes, ruckartiges Flattern - und schon ist er wieder verschwunden. Zumindest für den Menschen. Denn dieser kann die meisten der von Fledermäusen ausgestoßenen Ultraschall-Rufe nicht wahrnehmen. Für die Tiere selbst sind die Laute lebenswichtig: Das von den Objekten in ihrer Umgebung zurückgeworfene Echo dient ihnen zur Orientierung in der Dunkelheit. Und Fledermäuse werden nun einmal erst im Finstern richtig munter.

Möglicherweise ist das die Ursache dafür, dass sie von jeher gefürchtet werden. Man assoziiert sie mit dem Tod und dem "Bösen" und nicht zuletzt mit den mythischen Vampiren. Dabei ernähren sich nur drei der rund 1100 Fledermausarten weltweit von Blut - und die leben allesamt in Mittel- und Südamerika.

In Österreich konnten bisher 26 verschiedene Arten nachgewiesen werden. 21 davon finden sich auch in Wien - und machen die Stadt damit zu einer der fledermausreichsten in ganz Europa. Ulrich Hüttmeir, Mitarbeiter der KFFÖ (Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich), sieht die Ursache dafür in der speziellen geografischen Lage: "Hier treffen die Ausläufer der Alpen auf die pannonische Tiefebene - und damit stoßen auch zwei verschiedene Faunen aufeinander. Das erklärt den großen Artenreichtum." Außerdem verfüge die Stadt über zahlreiche naturnahe Bereiche wie etwa den Wiengürtel, die Donauauen und den Prater.

Obwohl man vielleicht das Gegenteil annehmen könnte, stellen urbane Regionen daneben durchaus einladende Lebensräume für die nachtaktiven Tiere dar. "Man hat die Vorstellung, dass Fledermäuse vor allem große, ruhige Dachböden und Kirchtürme besiedeln. Tatsächlich trifft dies aber nur auf etwa ein Drittel der heimischen Arten zu", sagt Hüttmeir. Die übrigen nisten sich bevorzugt in Gebäudespalten ein - und die sind in einer Stadt zweifellos in ausreichendem Ausmaß vorhanden. Einige der Tiere wählen Baumhöhlen als Quartier. Nur am Stadtrand findet man wenige Dachbodenbewohner, vor allem in der Nähe von großen Laubwäldern.

Ein Kilo Insekten pro Sommer

Die dichte städtische Bebauung kann jedoch auch eine Gefahr für die Nahrungsversorgung der Nachtschwärmer darstellen. Immerhin ernähren sich die heimischen Fledermausarten ausschließlich von Insekten, Gliedertieren und Spinnen - die in urbanen Regionen eher weniger verbreitet sind. Andere Faktoren relativieren dieses Problem aber: "Das Licht mancher Straßenlaternen ist sehr attraktiv für Insekten - ein Paradies für Fledermäuse", meint Ulrich Hüttmeir.

Darüber hinaus besagt eine Theorie, dass Wind, der stets durch Wien bläst, Insekten in die Innenstadt trägt, wo - wohl aus diesem Grund - besonders viele Fledermäuse auftreten. Der Speiseplan der Nachtschwärmer erweist sich übrigens als überaus nützlich für den Menschen: Pro Sommer vertilgt eine Fledermaus bis zu einem Kilogramm Insekten - ganz ohne FCKW-Ausstoß.

In Wien stößt man besonders auf die Alpenfledermaus, die - anders, als ihr Name nahelegen würde - vor allem in der Innenstadt verbreitet ist, im Alpenraum dagegen kaum vorkommt. Die irreführende Bezeichnung geht auf die Anfänge der Fledermausforschung zurück. "Ein gewisser Herr Blasius hat ein Exemplar der Alpenfledermaus im 19. Jahrhundert am Nassfeld in Gastein gefunden und beschrieben", erklärt Hüttmeir. "Seitdem hat man sie nie wieder in den Alpen gesehen." Die Alpenfledermaus, die ursprünglich ein Felsspaltenbewohner ist, sieht in den städtischen Gebäuden künstliche Felsspalten - und fühlt sich daher in Wien sichtlich wohl.

Neben der Alpenfledermaus findet man in Wien unter anderem auch die Bechsteinfledermaus, die kleine Hufeisennase, den großen und den kleinen Abendsegler sowie die Mücken- und die Zwergfledermaus. Absolute Bevölkerungszahlen anzugeben ist so gut wie unmöglich. "Spalten- und Baumhöhlenbewohner, die in Wien ja weit überwiegen, können so gut wie überall sein", weiß Ulrich Hüttmeir.

Trotzdem führte die KFFÖ in der Stadt Kartierungsprojekte durch, um einen Überblick über die Verbreitung der nachtaktiven Säuger zu erhalten. 2007 wurden die Populationen in verschiedenen Wiener Waldgebieten erfasst. 2008 wurde das Projekt dann auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt. Die Wissenschafter führten vorwiegend Aufnahmen mit Ultraschalldetektoren durch, um mithilfe der Rufe die Arten zu klassifizieren. Daneben fingen sie einzelne Exemplare mit Netzen. Hüttmeir: "Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass man die Arten exakt bestimmen kann, auch hinsichtlich von Geschlecht und reproduktivem Zustand - ob es sich also etwa um ein schwangeres oder säugendes Weibchen oder auch ein balzendes Männchen handelt."

In Wien haben die nachtaktiven Säuger vor allem mit dem Problem des Quartierverlustes zu kämpfen. Wenn die Gebäudeeigentümer die Spalten in ihren Hausmauern abdichten, stehen die Fledermäuse vor verschlossenen Türen. Außerdem können ihnen sogenannte "Fledermausfallen" zum Verhängnis werden. "Bestimmte Gebäudestrukturen, Schächte zum Beispiel, wirken auf Fledermäuse sehr attraktiv - doch später kommen sie nicht mehr hinaus", so Hüttmeir.

Architektur für Fledermäuse

Die Probleme der Gebäudespaltenbewohner will man vor allem mit Öffentlichkeitsarbeit und regelmäßigen Veranstaltungen für Fledermaus-Freunde (nächste am 18. 11.) lösen. Hüttmeir: "Auf Initiative der Wiener Umweltanwaltschaft gibt es nun sogar eine Vorlesung für Architekten an der Technischen Universität Wien zum Thema Natur und Bauen. Darin wird erklärt, wie Gebäude aussehen müssen, damit sie von Fledermäusen angenommen werden. Leider geht es vor allem darum, wie man dies verwirklichen kann, ohne dass die Menschen mit den Tieren in Kontakt kommen."

Eines lässt die Nachtschwärmer hingegen kalt: die Klima-erwärmung. "Die meisten heimischen Fledermausarten werden davon profitieren", berichtet Ulrich Hüttmeir. Also eine Sorge weniger. (Natalie Bachl/DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2009)