Skandalös allerdings, wie Dr. Sherpard mit anderen Liebschaften umgeht, was sich zeigte, als die beiden wieder mal Schluss machten. Um sich zu trösten, dass sich die junge Meredith nicht dankbar in seine Arme wirft, sondern sich lieber einem genüsslichen wiegel-wagel hingibt, fängt Shepard etwas mit einer OP-Schwester an, die sich nach Beendigung der Affäre (Meredith nahm den Hirn-Chirurgen schließlich doch zurück) auf eine andere Station schleichen musste, damit sich der Herr Oberarzt nicht weiter unwohl fühlen muss. Gut, zumindest kehrt in der aktuellen Staffel nun endlich Ruhe zwischen der leidigen Grey- Shepherd Geschichte ein. Dennoch ist Meredith nicht bereit, den konventionellen Vorstellungen einer Beziehung ihres Boy-Friends nachzugeben, der Grey´s MitbewohnerInnen nach seinem Einzug in ihr Haus gleich auf die Straße setzten wollte.

Auch die KollegInnen der Nachwuchschirurgin erledigen private Bedürfnisse gleich am Arbeitsplatz, wo sie sich ohnehin die ganze Zeit aufhalten. Alex Karev flirtete mit der Ex-Frau von Dr. Shepherd, der coolen Addison Forbes Montgomery, die ehrgeizige Christina war mit dem Herzchirurgen Preston Burke liiert und der patscherte O´Mally heiratete mal schnell für ein paar Wochen die Orthopädin Callie Torres, die aktuell schwerst in die Herzchirurgin Erica Hahn verliebt ist. Es wird spannend, ob es sich nur um einen kurzen homosexuellen Exkurs handelt oder ob die gleichgeschlechtliche Liebe, noch dazu zwischen weiblichen Protagonistinnen, deren Aussehen sich nicht an Schönheitsidealen anbiedert, Dauergast im Seattle Grace bleibt.

Angesichts dieser vielen Verhältnisse, Ehen und Affären reißt Dr. Miranda Bailey schon mal der Geduldsfaden, jene Frau, die den fünf AssistentInnen Izzy, Christina, George, Alex und Meredith so etwas wie Professionalität beibringen soll. Dabei geht sie laut und bestimmt vor, sie fungiert aber leider eher als strenge Mutter, die den Schützlingen hin und wieder die Leviten liest, als kompetente Ärztin wird sie oftmals in den Hintergrund gerückt.

Dennoch, intelligente Momente mit den ÄrztInnen des Seattle Grace gibt es zu Genüge. So wurde etwa von besagter Miranda Bailey eine Station eingerichtet, auf der PatientInnen ohne Versicherungen behandelt werden, womit die Situation von unversicherten US-AmerikanerInnen immer wieder thematisiert wurde. Und, die NachwuchsärztInnen kommen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten: Izzy Stevens und Alex Korev – auch so ein immer-wieder-und-dann-doch-nicht-Paar – kommen aus armen, bildungsfernen Schichten, ein Unterschied, der sich trotz gleichem Karrierestand der fünf AssistentInnen immer wieder habituell bemerkbar macht. So stellte sich die junge Ärztin Izzy nicht nur einmal in Frage, ob sie in diesen Beruf "passt". Ihrer Kollegin Meredith Grey gegenüber, deren Mutter eine berühmte Chirurgin war, bemerkte sie einmal "wenn du im OP stehst, fragt sich niemand, ob du hier vielleicht doch falsch bist".
Und, für eine US-Serie sind die Körper der Ärztinnen auch erstaunlich unterschiedlich. Von klein, groß, vollschlank, Modelfigur, sportlich-burschikos bis zur annorektischen Statur der Hauptdarstellerin gibt es eine verhältnismäßig breite Palette. Außerdem, wenn ein Körper in Szene gesetzt wird, muss meistens ohnehin der des plastischen Chirurgen Dr. Mark Sloan herhalten, der schier allein für das nackte-Haut-Pensum in Grey´s Anatomy zuständig ist.
(beaha, dieStandard.at, 20.5.2009)