Mündung mit engem Delta: Der britische Künstler Liam Gillick ergänzt die repräsentative Treppe zur Gegenwartssammlung des Mak um adäquate Räume.

Foto: Mak

Wien - Margarete Schütte Lihotzky, sie liegt in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 33 G, Nummer 28), hat Mitte der 1920er-Jahre, untadeligen Glaubens an das Gute, die Effizienz in die Küche gebracht. Sie, Margarete, nicht etwa die Effizienz, liegt in diesem Ehrengrab u.a. auch weil sie durchgehalten hat, als überzeugte Kommunistin, die eben dieser Haltung wegen keine öffentlichen Aufträge erhielt.

Aber, wird man knapp 103 Jahre alt (23. Januar 1897 - 18. Januar 2000) und über Umwege im Feindesland weltberühmt, dann gilt der Heimat im Tod die Haltung als Schrulle, und also verzeihlich; und also gibt es das Ehrengrab.

Weltberühmt machte Margarete Schütte Lihotzky die Frankfurter Küche, das Ergebnis ihrer Studien, auf minimalem Raum ein Maximum an Effizienz für die "Hausfrau" zu erreichen - im Sinne der Frau, nicht in jenem des stets hungrigen Gatten. Jedenfalls wurde daraus die bis heute gültige "Einbauküche" , ein modulares System zum praktischen Bunkern, Zubereiten und Anrichten von Nahrung.

Für viele Hersteller von Küchenzeilen bis heute unverständlich, ging Schütte Lihotzky von Frankfurt aus nach Moskau, von dort in den südlichen Ural, von dort über London und Paris nach Istanbul und nach Bulgarien. Sie beriet gar die Volksrepublik China, das dubiose Kuba und die klar böse DDR. Und ging skurrilerweise nicht etwa in die USA, um dort mit einem Unternehmen zur Ausstattung von Speisewägen erstens rasch reich und zweitens viel früher schon weltberühmt zu werden. Störrisch eben, aber schließlich war sie auch die erste Kursteilnehmerin an der k.k. Kunstgewerbeschule und entwickelte ihre Küche in den 1920ern im Sold des Hochbauamts der Stadt Frankfurt.

Viele Jahrzehnte später kam Liam Gillick, Engländer, 1964 in Aylesbury geboren, ins Mak. Und entdeckte in der Nachfolgeinstitution des kaiserlich königlichen Kunstmuseums Margaretes revolutionäres Modul. Und sah - mit dem nötigen Abstand des Nachgeborenen - auch dessen Schattenseiten. Und installierte im deutschen Pavillon zu Venedig 2009, das Modell als Endlosband - als Steigerung der Effizienz ins Unendliche.

Woraus endlich folgt, dass es doch um den Papa und dessen unerschöpflichen Hunger geht, und nicht etwa um die "Hausfrau" , die mit der gewonnenen Freizeit ja doch nichts anzufangen wüsste. Jedenfalls nichts im Sinne des arbeitgebenden Gatten. Die philosophischen Anmerkungen der Hauskatze ("Die Zukunft verhält sich immer anders.") überhörten in Venedig viele Besucher. Und sahen auch nicht, dass weniger Laufmeter pro Kuchen bei gleichbleibender oder krisengerechtfertigt höherer Laufleistung der Hausfrau eben mehr Kuchen ergeben.

Neues Sondermodell

Egal. Jetzt steht Liam Gillick im Mak als siebenter Künstler im Fokus. Und was macht er daraus? Ein Sondermodell: Executive Two Litre GXL, einen Sonderwagen. Er stattet die als Geste im Sinne der Gleichwertigkeit von historischem und zeitgenössischem Material dem Haus entsprechend großzügig eingeschriebene Treppe in das Versprechen einer adäquaten Fläche mit einer Zusatzausstattung aus. (Die Treppe endet dann doch im ewigen Provisorium, der knappen Präsentation von Gegenwart.) Gillick öffnet mit einem - Margarete schau herab! - modularen Paravent-System dutzende neue Räume im engen Dachgeschoß. Und gibt so dem repräsentativen Aufgang seine intendierte Funktion.

Wie jede andere Treppe im Mak auch, führt nun jene zur Gegenwart nicht in ein Mansardenzimmer, sondern in eine Flucht von Räumen, die nach Belieben bespielt und adaptiert werden können. Und: Wie jeder Künstler im Fokus des Mak schlägt auch Gillick eine Brücke zur eigenen Präsenz im Haus. Seine Arbeit Layered Impasse Screen (1999) ist in das Modulsystem der aktuellen Installation eingebaut, als wäre sie ein Dunstabzug oder ein Spüler - verweist damit auf ihren Stammsitz im Flackturm im Arenbergpark, auf ein "Mehr Platz!" , auf "GXL" eben. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 21.10.2009)