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Unterschiedliche Preise für Medikamente innerhalb der EU machen Parallelimporte attraktiv. Die Pharmabranche wehrt sich dagegen.

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Vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof ein lang erwartetes Urteil zum Parallelimport von Arzneimitteln erlassen und darin in einigen wichtigen Punkten dem EU-Gericht erster Instanz (EuG) und dem Generalanwalt widersprochen (C-501/06 P vom 6. 10. 2009). Die Höchstrichter entschieden, dass ein duales Preissystem, bei dem für exportierte Arzneimittel höhere Preise verrechnet werden als für jene, die im Land abgesetzt werden, stets das Kartellverbot (Art 81 des EG-Vertrags) verletzt - unabhängig von der Wirkung solcher Vereinbarungen.

Die EU-Kommission muss nun erneut entscheiden, ob das von GlaxoSmithKline (GSK) für Spanien eingerichtete duale Preissystem eine Ausnahme vom Kartellverbot rechtfertigen kann.

Bei der Auseinandersetzung vor der Kommission und den EU-Gerichten geht es um die Frage, ob Vereinbarungen eines Pharmakonzerns zum Unterbinden von Parallelexport von einem Mitgliedstaat in einen anderen gegen das Kartellverbot verstoßen. Dies ist für die Branche von enormer Bedeutung.

In den EU-Staaten sind die Medikamentenpreise für inländische Patienten üblicherweise reglementiert. Meist setzen staatliche Einrichtungen Höchstpreise fest, um die Kosten des Systems zu begrenzen. Diese Preise, die lokale Großhändler an die Pharmaunternehmen bezahlen, sind oft ganz unterschiedlich. Spanien ist bekannt für ein niedriges Preisniveau, in Großbritannien sind die Regulierungspreise viel höher. Großhändler nutzen solche Preisunterschiede, indem sie Arzneien in Spanien einkaufen, um sie in Großbritannien abzusetzen. Parallelexporte aus Niedrig- in Hochpreisländer kosten Pharmakonzerne viel Geld.

Um das zu unterbinden, schloss die spanische Tochter von GSK 1998 neue Vereinbarungen mit Arznei-Großhändlern ab, die höhere Preise vorsehen, wenn Großhändler Medikamente außerhalb Spaniens absetzen. Entsprechend dem damals geltenden System der Anmeldung von (potenziell) wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen machte GSK Meldung in Brüssel. 2001 untersagte die EU-Kommission die Durchführung der Vereinbarung als kartellrechtswidrig. GSKklagte dagegen beim Gericht erster Instanz (T-168/01).

Das EuG bestätigte 2006 zwar, dass die Vereinbarung wettbewerbsbeschränkend sei, traf aber Aussagen, die der Pharmabranche berechtigte Hoffnung auf eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung zu Parallelimporten machte. So erkannte der EuG an, dass in Anbetracht der enormen Forschungs- und Entwicklungskosten von Arzneimitteln ein Preis, der über den Grenzkosten liegt, gerechtfertigt und notwendig sein kann. Er verwies darauf, dass der Wettbewerb auf diesem Sektor bereits durch die zahlreichen staatlichen Regelungen verfälscht sei.

Kein Vorteil für Verbraucher

Zudem führe der Parallelhandel mit Arzneimitteln nicht immer zu Vorteilen für den Endverbraucher. Denn Großhändler würden den Preisvorteil oft nicht in Form niedrigerer Preise an die Endverbraucher weitergeben. Der EuG hielt daher eine Beschränkung des Parallelhandels bei Arzneimitteln nicht für zwingend wettbewerbsbeschränkend. Entscheidend sei, ob das Wohlergehen der Konsumenten gemindert wird.

Der EuGH nahm nun eine strengere Haltung ein: Eine Klausel, die den Parallelimport behindere, sei wettbewerbsbeschränkend, selbst wenn sie für den Konsumenten keine konkreten Nachteile hat. Und das betroffene duale Preissystem, so die Richter, habe in jedem Fall wettbewerbsbeschränkende Wirkungen. Sie hielten den Urteilsspruch der ersten Instanz zwar aufrecht, verwarfen aber die Begründung.

Dennoch gibt es auch im EuGH-Urteil einen Lichtblick für die Pharmabranche: Bei der Beurteilung, ob eine Ausnahme zu rechtfertigen sei, müssten auch zukünftig realisierbare Vorteile beachtet werden, heißt es.

Obwohl das duale Preissystem von GSK grundsätzlich in das Kartellverbot fällt, trugen die Gerichte deshalb der Kommission auf, die Möglichkeit der Freistellung (Art 81 Abs. 3 EG-Vertrag) erneut zu prüfen. Für die Pharmaindustrie wird weiterhin vor allem die EuGH-Rechtsprechung im Fall Lelos/Syfait II (C-468/06) eine Rolle spielen. Dort kam das Gericht zum Ergebnis, dass ein Pharmahersteller zur Verhinderung von Parallelexporten einseitig den Umfang von Lieferungen an Großhändler beschränken kann, sobald die übliche Nachfrage für den Verbrauch im Inland bedeckt wird. (Günter Bauer, Florian Prischl, Katharina Kitzberger, DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2009)