Wien - Die aktuelle Diskussion über die Bestrafung von Schülern ist aus Sicht des ehemaligen Wiener Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz (SPÖ) "traurig und führt in eine Sackgasse". Das Bild, das derzeit von Jugendlichen gezeichnet werde, sei "unerträglich". Diese würden pauschal als Schulverweigerer und potenzielle Gewalttäter hingestellt, obwohl das auf weit über 90 Prozent der Kinder nicht zutreffe. "Ich kann das System nicht auf diesen wenigen traurigen Ausnahmen aufbauen, sonst verliere ich ja jeden positiven Zugang zum Menschen", so Scholz, der am Dienstag Abend mit dem Hans-Czermak-Preis für gewaltlose Erziehung ausgezeichnet wird.

Lehrer kein "stiller Dulder"

Das bedeute allerdings nicht, dass der Lehrer ein stiller Dulder sein solle, der alles über sich ergehen lassen muss. Doch statt zu strafen, sollten Lehrer etwa im Fall von verbalen Angriffen authentische Emotionen zeigen, so Scholz: "Man muss dem Schüler seinen Zorn, seine Verbitterung und Verletztheit klarmachen und zeigen, dass man eine Entschuldigung erwartet."

Grundsätzlich sei es für einen Lehrer "immer gescheiter, Kinder zu mögen als sie nicht zu mögen" - wenn man als Lehrer zu seinen Schülern freundlich sei, könne dadurch auch von deren Seite "so etwas wie Sympathie" zurückkommen. Selbst wenn solche Ideen heute verlacht würden, müsse man sie aussprechen, betonte Scholz. Schließlich sei auch Kinderarzt Czermak anfangs für seinen Kampf gegen die "Watschn" lange Zeit verspottet worden, schließlich habe er sich aber durchgesetzt.

"Leistungsfetischismus" durch PISA

Generell ortet Scholz in pädagogischen Fragen in der Gesellschaft eine "wahnsinnige Verunsicherung". Auch die Messung von Wissen wie etwa bei der PISA-Studie sieht er als Mitauslöser. PISA habe zu einem "Leistungsfetischismus" geführt, Bildung werde auf statistisch nachweisbare Leistungen reduziert. Allerdings habe ein Land nichts davon, "verbitterte, verhärmte PISA-Weltmeister und leistungsorientierte Neurotiker" heranzuziehen. "Wenn ich das zulasse, haben Sigmund Freud, Alfred Adler, Erwin Ringel und Hans Czermak umsonst gelebt", sagte Scholz. Die Probleme im österreichischen Schulwesen seien nicht statistischer, sondern vielmehr tiefenpsychologischer Natur. "In der Schule treffen immer mehr unglückliche Menschen - Schüler, Lehrer und Eltern - aufeinander". Scholz wünschte sich deshalb anstelle des derzeitigen PISA-Tests einen Test, der "das Glück der jungen Menschen, die Psychohygiene und des friedlichen Umgangs miteinander" erhebt. (APA)