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Nachts sind auch alle Nationalsozialisten grau. Aber tagsüber ist der Schriftzug "Josef Weinheber Brücke" sehr gut zu erkennen. Selbst bei hoher Geschwindigkeit. 44 Kilometer vor Wien überspannt die "Josef Weinheber Brücke" die Westautobahn. Ob man will oder nicht: Da muss man durch.

Die Westautobahn, von den Nationalsozialisten 1938 bei Salzburg zu Bauen begonnen, wurde von der Republik Österreich vollendet. Wohl im Geiste der Nationalsozialisten. Denn wie sonst kommt man auf die Idee, eine Brücke nach Josef Weinheber zu benennen?

Der Dichter, 1892 als Sohn eines Fleischhauers und einer Näherin in Ottakring geboren, trat bereits 1931 der NSDAP bei. 1933 wurde er Fachschaftsleiter für Schrifttum im österreichischen Kampfbund für deutsche Kultur, 1936 Mitglied des Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs. Die Mitglieder dieser illegalen Tarnorganisation arbeiteten energisch auf den Anschluss hin. Im April 1938 jubelte Weinheber: "Deutschland, ewig und groß, Deutschland, wir grüßen Dich! Deutschland, heilig und stark, Führer, wir grüßen Dich! Heimat, glücklich und frei, Heimat, wir grüßen Dich!"

Weinheber war, wie unter anderem auf Wikipedia nachzulesen ist, Bestandteil nationalsozialistischer Kulturpolitik. 1941 erhielt er den Grillparzer-Preis. Im August 1944, als die Niederlage des Deutschen Reichs bereits absehbar war, wurde er von Adolf Hitler in die Gottbegnadeten-Liste mit den wichtigsten Schriftstellern des NS-Reiches aufgenommen. Dies bewahrte ihn vor einem Arbeitseinsatz im Kriegsdienst. Am 8. April 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, beging Weinheber, alkoholkrank und depressiv, in seinem Landhaus in Kirchstetten Selbstmord.

Die "Josef Weinheber Brücke" ist nicht weit weg von Kirchstetten. Seit ich den neuen Quentin-Tarantino-Film gesehen habe, denke ich mir immer, wenn ich im Vorbeifahren "Josef Weinheber Brücke" lese: Man müsste Brad Pitt sein. Und den Schriftzug einfach skalpieren. (Thomas Trenkler, derStandard.at, 07.10.2009)