Eine 300 Kilo schwere Bronzeskulptur des russischen Dichters Alexander Puschkin wird am Montag in einem Park in Belgrad enthüllt. Der russische Botschafter in Serbien eröffnet am Tag zuvor eine Fotoausstellung "Die Seele Russlands" . Am 20. Oktober vor 65 Jahren hatte die Rote Armee Belgrad von der Besetzung durch die Nazis befreit. Kinder aus serbischen Enklaven im albanischen Kosovo demonstrieren ihre Dankbarkeit an Mütterchen Russland, das die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennt. Einhundert Trompeter blasen zu Ehren des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew serbische und russische Lieder.

Es ist offensichtlich, dass Belgrad am Dienstag einen Freund empfängt. Und so ist auch die Stimmung in der serbischen Hauptstadt trotz der üblichen massiven Sicherheitsvorkehrung entspannt. Ganz im Gegensatz zum Besuch des US-Vizepräsidenten Joe Biden im vergangenen Mai, als ganze Stadtviertel abgeriegelt waren. Aus dem politisch frostigen Belgrad zog Biden weiter nach Sarajewo und Prishtina und ließ sich dort bejubeln. Die Einflusssphären der Großmächte auf dem Balkan scheinen schon gezeichnet zu sein.

Medwedew kommt nach Belgrad mit einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation von hundert Personen, in der sich unter anderem der Vorsitzende der Gasprom, die Direktoren der Russischen Eisenbahn, der Moskauer Bank und der Lukoil befinden. Die Zusammenarbeit im Energiesektor zwischen Moskau und Belgrad sei eine strategische Priorität, erklärte Russlands Minister für Notfallsituationen Sergei Shoigu. Er betonte, dass Serbien einer der wichtigsten Knotenpunkte auf dem europäischen Gasliefermarkt werden soll.

Energiestaatsvertrag

Russland und Serbien haben bereits einen Energiestaatsvertrag unterzeichnet, der den Bau der Pipeline Southstream durch Serbien vorsieht. Die Gasprom hat den serbischen Erdölkonzern NIS und den Erdgas-Untertagespeicher Banatski Dvor gekauft. Kürzlich sagte Russland Serbien einen Kredit von einer Milliarde Euro zu. Er soll die Löcher in der leeren serbischen Staatskasse stopfen und für Infrastrukturprojekte verwendet werden, die russische Firmen realisieren sollen.

Nachdem der EU-Beitritt Serbiens jahrelang Priorität von Staatspräsident Boris Tadić war, zeichnet sich nun auch eine zweite außenpolitische Ausrichtung Serbiens ab. Die Finanzunterstützung des Westens reicht nicht aus, außerdem ist sie indirekt stets mit politischen Bedingungen verknüpft wie mit der Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal. Nun versucht Tadić einen Seiltanz zwischen West und Ost, wie ihn seinerzeit Jugoslawiens Marschall Josip Broz Tito im Kalten Krieg erfolgreich vorgeführt hat. Tadić hofft wohl, dass die EU Serbien rasch Zugeständnisse machen würde, um zu vermeiden, dass das Land ein Standbein der russischen Politik auf dem Balkan wird.

Russische Unterstützung erwartet Tadić auch in Bosnien, wo die USA die Initiative ergreifen und den Druck auf die bosnischen Serben erhöhen, einer Verfassungsreform zuzustimmen. Heute, Dienstag, finden im Camp Butmir in Bosnien wieder Gespräche zur Bewältigung der politischen Pattsituation statt. Der Hohe Repräsentant Valentin Inzko erwartet keinen "großen Knall" , aber ein kleineres Maßnahmenpaket. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2009)