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Von purer Idylle ist auf vielen Bauernhöfen keine Spur.

Foto: AP/Leanza

In Österreich werden 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt. "Je größer der Bauernhof ist, desto eher wird er von Männern geleitet", berichtete Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kürzlich bei einer Podiumsdiskussion, die sich mit der Lebenssituation von Bäuerinnen beschäftigte. Und die, so Elisabeth Hofer-Falkinger, ist schwer genug. Sinkende Preise, die Wirtschaftskrise und die Großindustrie im Nacken: Hofer-Falkinger ist seit 20 Jahren Biobäuerin, sie führt einen Mischbetrieb im Mühlviertel. Ihre Produkte vermarktet sie direkt.

60.000 Direktvermarkter

In Österreich sind ein Drittel der Bauern Direktvermarkter. Das heißt, sie vertrieben ihre Produkte direkt am Hof. Dabei handelt es sich um rund 60.000 Betriebe. Die strengen gesetzlichen Auflagen, mit denen Direktvermarkter konfrontiert sind, identifiziert Hofer-Falkinger als das größte Problem. Sie ortet einen regelrechten "Psychoterror": "Man hat ständig Angst vor Kontrollen." Dabei gehe es nicht um die Einhaltung von Hygienestandards, sondern um "Schikanen". Etwa bauliche Limitierungen oder "sinnlose Aufzeichnungen", die quasi jeden Schritt auf Punkt und Beistrich dokumentieren müssen.

Der Trend, dass immer mehr Konsumenten auf den Bio-Zug aufspringen, sei unaufhaltsam, ist zumindest Marianne Fuchsluger überzeugt. Die Chefin eines Biobauernhofs konstatiert einen Imagewandel: "Es hat sich in den letzten Jahren massiv verbessert." Ein großes Manko sieht sie in der Bequemlichkeit der Leute: "Viele sind einfach zu faul, um zu den Höfen zu fahren." Sie verlassen sich auf den Einzelhandel, der diese Qualität aber nicht bieten könne.

Druck nimmt zu

Fuchsluger bedauert, dass es immer weniger Vollerwerbsbauern gibt. "Der Druck nimmt ständig zu." Um über die Runden zu kommen, müssten die Bauern arbeiten gehen. "In erster Linie die Männer", sagt Fuchsluger, "die Bäuerinnen sind dann die Betriebsführer". 41 Prozent der Höfe mit Direktvermarktung sind in weiblicher Hand. In 31 Prozent der Fälle wird der Betrieb von Mann und Frau geführt.

Ein Drittel denkt ans Aufhören

Von einer alarmierenden Umfrage berichtet Anna Höller, Nationalratsabgeordnete und Bundesbäuerin der ARGE Bäuerinnen: "Ein Drittel der Direktvermarkter denkt ans Aufhören." Der Hauptgrund seien die gesetzlichen Auflagen. Höller sieht hier allerdings kaum Spielraum, was zu ändern: "Zum Teil sind das auch EU-Richtlinien, die umgesetzt werden müssen." Sie appelliert an die Geduld und an die Macht der Konsumenten: "Es schmeckt viel besser als gewerblich erzeugte Produkte."

Der Umdenkprozess komme erst so in richtig in Gang: "Bei vielen Bauern müssen die Strukturen noch wachsen." Strukturen, die auch eine örtliche Komponente haben. "Entlegene Höfe haben Schwierigkeiten, dass die Leute hinkommen." Mehr Mundpropaganda und die Präsenz auf Bauernmärkten könnten das Geschäft ankurbeln, hofft Höllerer. "Man ist nicht Bauer wegen dem Geld", sagt sie, sondern wegen der "Freude und dem Gespür, mit Leben zu arbeiten."

Sicherheit geht vor

"Es geht hier um die Sicherheit", meint Gerhard Wlodkowski, Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer, zu den strengen Gesetzen, die die Direktvermarkter kritisieren. „Wenn irgendwas wegen der Hygiene passiert, steht man vor dem Richter", warnt er vor einer Aufweichung. Die Gesundheit gehe schließlich vor. Von den Landwirten verlangt Wlodkowski mehr Flexibilität. Eine Möglichkeit wäre etwa, die Erzeugnisse in "Bauern-Ecken" in Kaufhäusern anzubieten. Der Konsument entscheidet: "Viele wollen einfach nicht von Hof zu Hof fahren, sondern die Waren in den Läden kaufen", sagt er und verspricht den Bauern Unterstützung zur Professionalisierung. "Das soll ja nicht nur ein Hobby sein."

"Wirtschaftlich ist nicht gleich professionell", mahnt Irmi Salzer von der Österreichischen Bauernvereinigung. Sie plädiert für eine stärkere Differenzierung: "Es ist kompletter Unsinn, dass man bei fünf Kühen die gleichen Auflagen hat wie jemand, der tausend Kühe hat." Salzer spricht vom "Eigeninteresse der Unternehmen", gute Produkte auf den Markt zu bringen. Da brauche es keine so weit reichenden Regulierungen. Als Regulator fungiere ohnehin der Markt, der Konsument ist das Korrektiv.

"Diktat der Wirtschaft"

Dass mit zunehmender Größe automatisch die Qualität steige, sei völlig falsch, moniert auch Elisabeth Loibl, die die Situation anhand einer Studie unter die Lupe genommen hat. "Landwirtschaft ist eine Lebensform, die mit dem Boden arbeitet", sagt sie. Agrarindustrielle Produktion reduziere den Boden. Bauern dürften sich nicht dem "Diktat der Wirtschaft" beugen. Direktvermarktung betrachtet Loibl als "Menschenrecht", das noch viel mehr gefördert werden müsse. "Und zwar wo es geht", betont sie. "Man wirtschaftet mit dem, was da ist."

Ein mögliches Förderungsinstrument bringt Hofer-Falkinger ins Spiel. Die Biobäuerin wünscht sich ein "Finanzierungsmodell für Leute, die am Hof mitarbeiten wollen". Eine Unterstützung des Bundes. Sie bekomme immer wieder Anfragen, erzählt sie: "Das Interesse ist sehr hoch, viele wären motiviert." Das Problem, so Hofer-Falkinger: "Ich kann keine Angestellten bezahlen."  (om, derStandard.at, 20.10.2009)