Gigante

Der Pfad zwischen dem Stalker und dem Romantiker ist nicht sonderlich breit. Aber genau auf diesen Grat setzt Adrián Biniez' mit dem Silbernen Bären prämierter Debütfilm den massiv gebauten, stoischen Jara, Supermarktdetektiv in Montevideo. Im Hinterzimmer hat er sich ins Live-Abbild einer Putzkraft verliebt. Ihre unmittelbare Präsenz hält er aber nicht aus. 

23. Oktober, Gartenbau um 18.00 Uhr; Wiederholung.: 26. 10., Metro, 11.00 Uhr

Foto: Viennale

Maynila: Sa mag kuko ng liwanag

Teil des Tributes für den philippinischen Starregisseur Lino Brocka: eine tiefromantische Liebesgeschichte zwischen Landei Julio Madiaga (übersetzt: "Geduld") und seiner Ligaya Paraiso ("Glück Paradies"). Die Liebenden werden ungeschönt in Gesellschaftsprobleme - Prostitution und Geldschacherei - und auf die verdreckten Straßen Manilas gesetzt. Brocka und Mike de Leon (Kamera) betörten das Publikum und entzauberten Ferdinand Marcos' Regime. 

25. Oktober, Künstlerhaus 16.00; Wh.: 27. 10., 23.30 Uhr

Foto: Viennale

Early Austrians: Kinomagie

Dank internationaler Forschung des Filmarchiv Austria kann die Retrospektive auf 15 Prozent der österreichischen Pionierfilme (bis 1918) zurückgreifen. Man hat's geahnt: Auch die Ur-Großeltern-Generation war schon voyeuristisch und eventorientiert. Aus dem Nichts taucht die halbnackte Assistentin in Die Zaubereien des Mandarins (1906) auf und verschwindet wieder. 

26. Oktober, Metro, 18.30 Uhr

Foto: Viennale

Cooking Industry

Die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert ist wahrlich blutig und von großen Kriegen geprägt. In Cooking History werden diverse Kriegsschauplätze jedoch nicht aus der Sicht von Generälen, sondern von Militärköchen gezeigt: Franz Weinhart buk während des 2. Weltkriegs nahe Moskau eine Vielzahl an Broten, auch bei Temperaturen weit unter Null. Branko Trgoviæ war Titos persönlicher Koch und Vorkoster. Miska Bacsi, legendärer ungarischer Proviantoffizier, sorgte während des Ungarnaufstands 1956 für die vollen Bäuche der Armee und damit für das passive Ausharren in der Kaserne.

26. Oktober, Künsterlhaus, 21 Uhr

Foto: Viennale

Frühe Werke

Zum Renommee der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) haben zuletzt die Filme der Berliner Schule von Christian Petzold oder Angela Schanelec beigetragen. Das aus 24 Kurzfilmen bestehende Special "Die Zukunft des Kinos" konfrontiert nun rezente Arbeiten wie Cyril Amon Schaublins "Lenny" (Foto) mit früheren Jahrgängen. Ausgewählt hat der scheidende Direktor Hartmut Bitomsky.

27. Oktober, Künstlerhaus, 18.30 Uhr

Foto: Viennale

White Material

Letztlich sind es afrikanische Kindersoldaten, die mit dem White Material der (Post-)Kolonialkultur in den verlassenen Wohnungen spielen. Plantagenbesitzerin Maria Vial (Isabelle Huppert) kann sich im Endzeitmelodram nicht zur Flucht vor den politischen Umwälzungen aufraffen. Claire Denis gelingt ein subtiles Charakterporträt vor dem Horizont der Willkür und Grausamkeit. 

28. Oktober, Gartenbau, 20.30 Uhr

Foto: Viennale

Hana, Dul, Sed ...

Brigitte Weich und Karin Macher haben die Rückkehr in den weltverschlossenen Alltag porträtiert: Die Dokumentation besucht vier ehemalige Spielerinnen des nordkoreanischen Nationalfußballteams, sammelt ihre Erfahrungen von Triumph und Niederlage und begleitet vor diesem Hintergrund ihre auseinanderstrebenden Lebenswege. 

29. Oktober, Künstlerhaus, 21.00 Uhr

Foto: Viennale

Körperkult im Garten Eden

Der dänische Regisseur Lars von Trier gibt sich gern kompromisslos. Für seinen neuesten Film "Antichrist" hat er kräftig an der Geschmacksgrenze des Kinopublikums geschabt: Für ein Ehepaar (Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg) etabliert sich die Hölle auf Erden im Prolog - die beiden haben Sex, der kleine Sohn stürzt zeitgleich in den Tod. Sich einschleichende Verrücktheit, Persönlichkeitsverlust, Selbstaufgabe bestimmen die brachialen Bilder des weiteren Films. Von Trier sucht das Böse sichtlich im Verlust der Menschlichkeit. Charlotte Gainsbourgs körperlastige Performance wurde vergangenen Mai in Cannes mit dem Schauspielpreis gewürdigt. 

29. Oktober., Gartenbau, 20.30 Uhr; Wh.: 30. 10., Künstlerhaus, 13.30 Uhr

Foto: Viennale

Okuribito

Man könnte es mit dem Six-Feet-Under-Effekt beschreiben: Beim japanischen Gewinner des Auslands-Oscars Takita Yojiro bleiben die gefassten Zeremonienmeister sympathischer als ihre streitsüchtigen, bedürftigen Trauergäste. In dieser Umkehrung gelingt ein unpathetischer Umgang mit dem Tod. 

30. Oktober, Metro, 21.00 Uhr; Wh.: 3. 11., Gartenbau, 13.00 Uhr

Foto: Viennale

Zanan Bedoone Maardan (Women without men)

Die international anerkannte Shirin Neshat, die in New York lebt und arbeitet, verlegt im Erstversuch im klassischen Kino ihre eindringlich erzählte Geschichte in den Iran im Jahr 1953, als ein von den USA gelenkter Staatsstreich den Schah zurück an die Macht brachte. Frauen klagen, werden unterdrückt und von den Männern ausgebeutet, bis sie sich in einem wilden Garten auf dem Land zurückziehen und zumindest eine zarte Form von Schutz um sich aufbauen können. Unter den verzweifelten Frauen ist die junge Prostituierte Farin, die sich aus Ekel vor sich selbst verstümmelt und keinem Mann mehr in die Augen schauen kann. Nur eine, die junge Munis, zieht nicht ins Refugium auf dem Land, erwacht politisch und schließt sich der linken Demonstration an.

30. Oktober, Gartenbau, Wh.: 1.11., Künstlerhaus, 11.00 Uhr

Foto: Viennale

Lourdes

Der katholische Glaube besitzt fantastische, zutiefst weltliche und filmwirksame Qualitäten: Hoffnung, Sehnsucht, Hingabe und Neid. Jessica Hausner hat ihren Film in Lourdes angesiedelt, folgt der Heilung der gelähmten Christine und den starren Ritualen dieser geschlossenen Gesellschaft. Die Mischung aus Spielfilm und Quasi-Doku vermischt sich zu einem verblüffend direkten Zugang. 

31. Oktober, Gartenbau 20.30 Uhr; Wh.: 4. 11., Künstlerhaus, 21.00 Uhr

Foto: Viennale

The World's Greatest Sinner

Das Tribute to Timothy Carey zeigt natürlich auch den selbstgeschaffenen Gründermythos: Regie, Drehbuch, Star: Timothy Carey. 1962 floppte Careys "filmische Provokation" um einen Versicherungsvertreter der ausflippt, seine Religion gründet und sich fürs Präsidentenamt bewirbt. Ein wunderbarer Anarcho-Auswurf der Filmgeschichte.

1. November, Gartenbau, 20.00 Uhr; Wh.: 4. 11. Künstlerhaus, 23.30 Uhr

Foto: Viennale

Von A wie "Arena" bis T wie "Totó"

Die Viennale, die zu heimischen Produktionen ein nicht immer friktionsfreies Verhältnis unterhielt, hat heuer eine durchgängige Programmschiene eingerichtet: Täglich um 21 Uhr im Künstlerhaus eine Österreichpremiere - darunter unter anderem die Spielfilme "Koma" von Ludwig Wüst (Foto) und "Lourdes" von Jessica Hausner sowie neue Dokumentarfilme von Fridolin Schönwiese, Sudabeh Mortezai, Angela Summereder, Nathalie Borgers, Houchang und Tom-Dariusch Allahyari und anderen.

Täglich um 21 Uhr im Künstlerhaus

Foto: Viennale

A Serious Man

Für die Abschlussgala verlässt man sich auf den eingespielten Witz der Coen-Brüder. Hiobs Botschaft 1967: Das Leben eines störrischen, aufgeblasenen Familienvaters geht in die Brüche. Rechtschaffen, wie er gelebt hat, besteht er auf Antworten von seinen Rabbis. 

4. November, Gartenbau, 19.30 Uhr, 23.00 Uhr

(red)

Foto: Viennale